Süddeutsche Zeitung

Finanzpolitik:Wunschtraum

Die Steuereinnahmen werden nie und nimmer ausreichen, um die Corona-Schulden zu begleichen.

Von Cerstin Gammelin

Man kennt das ja von Kindern, dass sie irgendwann regelrecht in die Höhe schießen und herauswachsen aus ihren Klamotten. Dieses Bild hat man vor Augen, wenn Olaf Scholz, der Bundesfinanzminister von der SPD, und die Haushaltsexperten des Koalitionspartners Union davon reden, aus den Schulden, die sie jetzt wegen der Pandemie machen mussten, werde die Bundesrepublik herauswachsen. Weil Konjunktur und damit Steuereinnahmen in die Höhe schießen, wenn das Virus erst einmal bezwungen ist.

Schade nur, dass die Steuerschätzung, die an diesem Mittwoch vorgelegt werden wird, das Herauswachsen als wishfull thinking ins Reich der Utopien verweist. Die Schätzer erwarten, dass die Steuereinnahmen des Bundes zunächst weiter leicht sinken, bevor sie bis 2025 auf ein leichtes Plus von insgesamt 2,5 Milliarden Euro gegenüber der bisherigen Schätzung im November steigen. Bund, Länder und Kommunen kommen danach über die fünf Jahre bis 2025 insgesamt auf ein Plus von 18 Milliarden Euro. Da sprudelt nichts mehr, diese Mini-Zuwächse sind angesichts von insgesamt gut vier Billionen Euro Steuereinnahmen bis 2025 vor allem das: Schätzungsungenauigkeiten.

Die Steuereinnahmen reichen keinesfalls aus, um die Löcher in den Haushalten in Bund, Ländern und Kommunen zu stopfen. Für Olaf Scholz wie für die Kanzlerkandidierenden von Grünen und Union bringt das im Wahlkampf eine echte Aufgabe mit sich. Sie müssen den Wählern erklären, was für sie Priorität hat: Noch mehr Schulden zu machen, um die Folgen der Pandemie zu lindern. Oder zu sparen, um den Haushalt zu sanieren.

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