Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Die Ausladung Steinmeiers ist eine unkluge Entscheidung

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Die ukrainische Führung mag Anlass zur Unzufriedenheit haben, aber sicher keinen vernünftigen Grund, das deutsche Staatsoberhaupt vor den Kopf zu stoßen.

Kommentar von Daniel Brössler

Frank-Walter Steinmeier verbindet mit der Ukraine eine schwierige Geschichte. In seiner Zeit als Außenminister war der heutige Bundespräsident maßgeblich am Minsker Abkommen beteiligt, das nie wirklich funktioniert hat und von russischen Panzern mittlerweile in den Orkus der Geschichte befördert worden ist. Auch steht der Name Steinmeier für die unermüdlichen Versuche, den berühmten Gesprächsfaden nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Selbst noch als Staatsoberhaupt hat er sich für die Fertigstellung der Gas-Pipeline Nord Stream 2 stark gemacht. Das hat ihm viel berechtigte Kritik eingetragen. Nichts davon aber kann erklären, warum ausgerechnet Steinmeier dort nicht willkommen sein sollte, wo in diesen Tagen jeder Besuch aus Europa wichtig ist. Den deutschen Bundespräsidenten zur in Kiew unerwünschten Person zu erklären, ist mindestens unklug. Vorsichtig formuliert.

Es mag sein, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij sich einen Besuch von Kanzler Olaf Scholz gewünscht hätte. Gut möglich ist auch, dass die Ukraine verärgert ist über die Zögerlichkeit der Bundesregierung bei der Lieferung schwerer Waffen. Dennoch gehört Deutschland zu den wichtigsten Unterstützern der von Russland überfallenen Ukraine. Das gilt finanziell, aber zunehmend auch in militärischen Dingen. Die ukrainische Führung mag Anlass zur Unzufriedenheit haben, aber sicher keinen vernünftigen Grund, das deutsche Staatsoberhaupt vor den Kopf zu stoßen. Zumal Steinmeier zum russischen Angriffskrieg von Anfang an klare Worte gefunden hat.

Geplant war ein gemeinsamer Besuch Steinmeiers mit den Präsidenten aus Polen und den baltischen Staaten in der ukrainischen Hauptstadt. Nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wäre das ein weiteres Zeichen europäischer Solidarität gewesen. Die Ausladung Steinmeiers lässt Europa schwach und zerstritten aussehen. Darüber kann sich nur einer freuen - Wladimir Putin.

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