Süddeutsche Zeitung

Netflix-Hit:Sechs Zähne verloren und ein Meisterwerk geschaffen

Der koreanische Drehbuchautor und Regisseur Hwang Dong-hyuk hat die Serie "Squid Game" erfunden, die gerade zum globalen Mega-Hit wird.

Von David Pfeifer

Wenn man etwas von Hwang Dong-hyuk lernen kann, dann, dass sich Durchhalten lohnt. Die erste Idee zu seiner Serie "Squid Game" hatte er 2008, da war Netflix noch ein Versanddienst für DVDs, und keine erfolgreiche Streaming-Plattform. Nun aber ist "Squid Game" eine riesige, globale Erfolgsproduktion und Hwang Dong-hyuk muss immer wieder erklären, wie ihm das gelungen ist.

"Ich bin nicht gut in Teamwork" erklärte er dem US-Entertainment-Magazin Variety in rührender Offenheit - er wolle aber daran arbeiten. Der 50-Jährige hat die Serie nicht nur erdacht und als sogenannter Showrunner die Fäden in der Hand behalten: Er hat das Drehbuch für alle neun Folgen selber geschrieben, die Folgen selbst inszeniert und sogar produziert. Sechs Zähne sind ihm aus Stress während der Dreharbeiten ausgefallen, erzählte er dem Fernsehsender CNN per Videoschalte, in seiner eher schmucklosen Wohnung sitzend, während seine Hauptdarsteller sich für einen glamourösen Auftritt in der "Jimmy-Fallon-Show" vorbereiteten.

Hwang Dong-hyuk ist eher scheu, er wurde von seiner Mutter in finanziell unsicheren Verhältnissen großgezogen, so erzählte er es im Fernsehinterview. Trotzdem schaffte er es auf die National-Universität in Seoul und erinnert sich, dass die ganze Nachbarschaft große Erwartungen an ihn hatte. In Kalifornien studierte er Filmproduktion, bevor er sich daran machte, erste Kurzfilme zu schreiben und zu inszenieren. Er ist kein Unterhaltungsregisseur, sein Drama "Silenced" erzählt beispielsweise die Geschichte von gehörlosen Kindern, die an ihrer Schule gequält und vergewaltigt werden - basierend auf einer wahren Geschichte. Trotz seines deprimierenden Themas wurde der Film ein großer Erfolg in Südkorea.

Das liegt womöglich daran, dass Hwang Dong-hyuk vor allem ein starker Autor ist, der es versteht, das Publikum genau dahin zu führen, wo er es haben will. Auch der Kniff von "Squid Game", die Prüfungen in Spielen zu durchlaufen, die man aus der Kindheit kennt, muss einem erst mal einfallen. "Ein Überlebensspiel ist Unterhaltung und menschliches Drama. Die gezeigten Spiele sind extrem einfach und leicht zu verstehen, das erlaubt es den Zuschauern, sich auf die Charaktere zu konzentrieren", so erklärt es der Schöpfer.

Dass die Serie nur einen Monat nach ihrem Start zum globalen Hit geworden ist, obwohl coole Helden darin fehlen, erstaunt ihn trotzdem, "es fühlt sich gerade so an, als hätte ich mir etwas wie Harry Potter oder Star Wars ausgedacht." Tatsächlich hat Hwang Dong-hyuk etwas geschaffen, was weltweit gültig zu sein scheint, die Straits Times aus Singapur schrieb: "Die Serie macht ein paar unangenehme Wahrheiten über das Menschsein deutlich." Das Leben als Rattenrennen, in dem die Reichen reicher und die Armen immer wehrloser werden, "ich wollte eine Allegorie auf den modernen Kapitalismus schreiben" sagt Hwang Dong-hyuk, "etwas über den extremen Wettbewerb des Lebens." In den 12 Jahren, die er an seiner Serie arbeitete, habe sich vor allem die Welt verändert, so erklärt Hwang Dong-hyuk den jetzigen Erfolg.

Nachdem er mit "Squid Game" zu einem der begehrtesten Autorenfilmer des Planeten geworden ist, und von den "James Bond"-Machern bis zu den "Marvel"-Produzenten alle bei ihm anklopfen werden, muss Hwang Dong-hyuk sich überlegen, was er mit den neu gewonnenen Möglichkeiten anfangen will. Früher hat er eine halbe Flasche Soju-Schnaps getrunken, um in Schreibstimmung zu kommen. Doch sollte er tatsächlich "Squid Game 2" machen, dann würde sich Hwang Dong-hyuk diesmal ein Team besorgen, einen "Writers Room" einrichten, wie bei solchen Produktionen üblich, und verschiedene, erfahrene Regisseure engagieren, Teamplayer, wie er selber keiner ist, kurz: "Ich würde es sicher nicht noch mal alleine machen."

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