Spionage:Der letzte Faden

Sollte die Bundesregierung russische Spione ausweisen, hat das vor allem symbolische Wirkung. Das Regime Putins wird so nicht beeindruckt.

Von Stefan Kornelius

Russische Agenten entfalten in Deutschland eine begrenzte Wirkung. Viele von ihnen sind namentlich bekannt und werden überwacht, sie sind Teil einer beeindruckenden Maschinerie, die aber den Kreml am Ende vor Torheiten auch nicht schützt. Im Gegenteil. Wenn Deutschland nun also mit der Ausweisung von bis zu zwei Dutzend dieser Agenten liebäugelt, dann geht es bei der Entscheidung vor allem um Symbolik.

Nachdem von Großbritannien (nach der Skripal-Vergiftung) über die USA bis nun aktuell zu Belgien, Polen und selbst Irland eine große Zahl westlicher Staaten diese als Diplomaten getarnten Spitzel nach Hause schickt, bleibt der Bundesregierung wenig übrig, als gleichzuziehen. Dabei läuft Berlin wieder einmal in der Nachhut mit, wirkt also eher getrieben als überzeugt.

Zweifel am Sinn einer Ausweisung sind berechtigt. Geheimdienstkontakte funktionieren nach anderen Regeln, selbst in den schlimmsten Krisen ermöglichen sie einen letzten Zugang zum Gegner. Die Bundesregierung würde mit der Ausweisung diesen Faden abschneiden und im Gegenzug die Ausweisung deutscher Diplomaten in hoher Zahl in Kauf nehmen. Damit beraubt man sich der letzten Augen und Ohren, die in Moskau Stimmungen aufnehmen und Einschätzungen liefern können. Die ausgewiesenen russischen Staatsmitarbeiter würden unzufrieden nach Moskau zurückkehren und dort für ein bisschen schlechte Stimmung sorgen. Regimegefährdend wäre das nicht. Mutiger wäre es, den Gasfluss zu stoppen, ehe Wladimir Putin das tut. Aber auch hier eilt Berlin hinterher.

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