SPD: Die neue Lust an der Macht

(L-R) Olaf Scholz, Bundeskanzler, und Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, aufgenommen im Rahmen des SPD-Bundesparte

Olaf Scholz, Bundeskanzler, und Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, beim SPD-Bundesparteitag.

(Foto: imago images/photothek)

In Lars Klingbeil haben sich die Sozialdemokraten einen guten Moderator zum Vorsitzenden gesucht. Trotzdem wird es zwischen der Partei und Kanzler Scholz schwierig bleiben.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Die sozialdemokratische Partei und ihr Kanzler Olaf Scholz haben am Wochenende auf einem Parteitag ihr künftiges Miteinander besprochen und mit großer Mehrheit einen passenden Mediator gewählt. Als einen solchen kann man den neuen SPD-Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil bezeichnen. Er wird künftig zusammen mit Saskia Esken die Partei führen, die sich erfolgreich der Wiederwahl stellte. Sollte es knirschen zwischen Kanzler und Kanzlerpartei, ist Klingbeil geeignet zu vermitteln, vorerst zumindest.

Die Beziehung zwischen dem Kanzler und seiner Partei ist auch nach dem sensationellen Wahlsieg des damaligen Kandidaten Olaf Scholz am 26. September keine Liebesbeziehung geworden. Auf dem Parteitag aber war zu spüren, dass sich beide Seiten um eine stabile Arbeitsbeziehung bemühen, den einen oder anderen liebevollen Blick inbegriffen. Schließlich reklamiert der Kanzler das Etikett "truly", also "wahrer" Sozialdemokrat für sich. Die Ovationen der Parteitagsabgeordneten und die vielen Herzchen auf den Bildschirmen sollte man nicht nur als Dank dafür nehmen, dass Scholz seine Partei ins Kanzleramt geführt hat, sondern auch als Vertrauensvorschuss.

Ja, sie wollen weiter diskutieren

Scholz und die SPD haben sich in den vergangenen 18 Monaten nicht nur einander angenähert nach dem Motto "Einigkeit macht stark, und da wir stark sein müssen, müssen wir auch einig sein". Sie haben auch ihr Schicksal auf absehbare Zeit eng miteinander verwoben. Ohne Scholz kein Kanzleramt, ohne Scholz keine Kanzlerpartei. Wer sich an die Tristesse des Parteitags von vor zwei Jahren erinnert, als die SPD ihren Olaf nicht als Parteivorsitzenden haben wollte, konnte sich an diesem Wochenende ein Bild davon machen, wie Dinge doch in Bewegung kommen können. Immer begleitet von der Gefahr, dass es da, wo es nach oben geht, auch wieder abwärtsgehen kann.

Sichtbar wurden auf dem Parteitag allerdings auch die möglichen Konfliktlinien in dieser Arbeitsbeziehung. Das Regierungsprogramm einer Ampel-Koalition sei nicht das Grundsatzprogramm der Sozialdemokraten, warnten einige. Die Genossen wollen sich nicht verbieten lassen, über Themen zu debattieren, die nicht im Koalitionsvertrag stehen - ja, sie wollen sogar weiter diskutieren über manches, was dort schon festgeschrieben ist, zum Beispiel die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr.

Immer schön am Olaf-Erfolgsrezept orientieren

Geschickt nutzte Scholz seine Rede, um zunächst das große Jahrzehnt der Sozialdemokratie zu beschwören, das die SPD gestalten könne - um dann den Genossen ins Gewissen zu reden: Leute, bitte nichts im Überschwang vermasseln, sondern immer am Olaf-Erfolgsrezept orientieren. Also das machen, was vereinbart worden ist, damit die Bürger wissen, worauf sie sich verlassen können. So, mahnte Scholz, werde er regieren. Und er gehe davon aus, dass alle das unterstützten.

Stabilisiert wird die Arbeitsbeziehung vorerst von der neuen Lust der Sozialdemokraten an der Macht. Erst vor wenigen Tagen Kanzlerpartei geworden, soll das Kanzleramt nur der Anfang gewesen sein. Für die nächste Bundestagswahl wurde ein 30-plus-Prozent-Ziel ausgerufen, die Genossen wollen das Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen erobern und Niedersachsen verteidigen. Das klingt ambitioniert. Aber anders als vor sechs Monaten nicht mehr völlig abwegig.

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