Süddeutsche Zeitung

Spanien:Wie hält er's mit den Rechtspopulisten?

Alberto Núñez Feijóo übernimmt den Vorsitz der spanischen Konservativen. Bisher galt er als Mann der Mitte, doch seine Standhaftigkeit droht zu bröckeln.

Von Karin Janker

Aus Sicht der spanischen Konservativen ist in Galicien die Welt noch in Ordnung. Die Region im äußersten Nordwesten der iberischen Halbinsel, deren Küsten oft nebelverhangen und so zerklüftet wie Norwegens Fjorde sind, ist fest in Händen des Partido Popular. Vier Mal in Folge holte Alberto Núñez Feijóo schon die absolute Mehrheit für die Konservativen, das gibt es nirgendwo sonst in Spanien. Er versammelt die Basis so erfolgreich hinter sich, dass in Galicien die ultrarechte Vox bisher keine Chance hatte; nicht einen Sitz hat sie im Regionalparlament in Santiago de Compostela. Wegen dieser Erfolgsgeschichte ist Alberto Núñez Feijóo zum neuen Hoffnungsträger der spanischen Konservativen geworden. Und wegen dieses Erfolges mangelt es ihm an Erfahrung im Umgang mit den Herausforderungen seines neuen Amts.

Die Wahl von Alberto Núñez Feijóo zum Vorsitzenden des Partido Popular auf dem Sonderparteitag an diesem Wochenende bedeutet für Spaniens Konservative das abrupte Ende einer Verjüngungskur. Vier Jahre lang stand Pablo Casado an der Spitze der Partei: 41 Jahre alt, kosmopolitisch, smart - und zugleich erzkatholisch und erzkonservativ. Das Amt des spanischen Premiers, das sich die Konservativen bei der Wahl im kommenden Jahr zu sichern hoffen, traute ihm nach diesen vier Jahren mit teils miserablen Wahlergebnissen in den Regionen niemand mehr zu.

Feijóo ist nicht nur zwanzig Jahre älter und dank seines früheren Mentors Mariano Rajoy, ebenfalls Galicier, bestens etabliert in der Partei. Er soll die Konservativen nun auch in eine andere Richtung führen: Weg von dem verbissenen Oppositionsgebell eines Casado, der bei jedem Auftritt im Dauerwahlkampf-Feuermodus war. Feijóo ist das Gegenteil: ein Mann der Mitte, unideologisch und, wie seine Mutter sagt, "mit Galicien verheiratet". Dort wurde er geboren, dort hat er Jura studiert und als Beamter gearbeitet. Bis auf ein paar Jahre, die er während der Aznar-Regierung in Madrid verbrachte, blieb er seiner Heimat treu. Feijóo gilt als authentisch und pragmatisch, sagt gar, er könnte sich eine große Koalition zwischen Konservativen und Sozialisten vorstellen. Für Spanien ist das unerhört.

Doch aus dem beschaulichen Galicien ließ sich leicht reden. Nun warten ganz andere Herausforderungen auf Feijóo, der mit der Unternehmerin Eva Cárdenas liiert ist und mit ihr einen kleinen Sohn hat. Am meisten dürfte ihn in den kommenden Monaten die Gretchenfrage aller Konservativen in Europa beschäftigen: Wie hält er's mit den Rechtspopulisten? Anbiedern wie Casado oder Abstand halten wie bisher in Galicien, wo das aber auch besonders leicht war, weil man Vox ohnehin nur aus der Ferne kannte?

Spanienweit ist Vox inzwischen drittstärkste Kraft, laut aktuellen Umfragen liegt sie nur noch acht Prozentpunkte hinter den Konservativen. In drei Regionalparlamenten lassen sich PP-Regierungen von Vox-Abgeordneten Mehrheiten beschaffen, in Kastilien und León schmiedete der konservative Regionalpräsident vor wenigen Wochen sogar eine erste Koalition mit den Ultrarechten. Feijóo, zu dem Zeitpunkt bereits designierter Parteichef, kommentierte den Pakt als "verantwortungsvoll" und hieß ihn gut. Das kam unerwartet von einem, der Verhandlungen mit Vox stets ausgeschlossen hatte, der die Partei "rechtsextrem" nannte und die Unterschiede zwischen sich und den Europaskeptikern betonte.

Ist Feijóo so sehr an den Erfolg gewöhnt, dass ihn jetzt der Mut verlässt, sich von jener Partei zu distanzieren, die ihn nach derzeitigem Stand 2023 als einzige zum Premier machen könnte? Fürs Erste scheint Feijóo sich besonnen zu haben: Inzwischen gab er zu bedenken, dass es manchmal besser sei, auf eine Regierung zu verzichten, als sie über den Populismus zu erreichen. Vox nannte er da nicht explizit, doch es ist kaum zu übersehen, wie sehr ihm die Rechtspopulisten schon jetzt zusetzen.

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