Profil:Pascal Soriot kämpft um seinen Ruf

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(Foto: Chris Kleponis/Imago)

Vom Wohltäter-Image des Astra-Zeneca-Chefs ist nicht mehr viel übrig. Während er von Australien aus arbeitet, droht nun auch Ärger in Großbritannien.

Von Alexander Mühlauer

Als der Corona-Impfstoff von Astra Zeneca am 30. Dezember 2020 in Großbritannien zugelassen wurde, war Pascal Soriot schon in Australien. Der Chef des britisch-schwedischen Pharmakonzerns wollte seine Familie wiedersehen, zum ersten Mal in dem Jahr. Zunächst musste Soriot in ein Hotel in Sydney, um die Quarantäne abzusitzen. So konnte er sich immerhin schon mal an seine neuen Arbeitszeiten gewöhnen. Seither führt der Astra-Zeneca-Chef, ein Franzose mit australischem Pass, aus nicht näher bekannten Gründen das Unternehmen von Down Under aus.

In der Firmenzentrale in Cambridge heißt es, Soriot arbeite trotz Zeitverschiebung, als sei er in Großbritannien. Im Grunde dürfte es keinen großen Unterschied machen, wo Soriot am Rechner sitzt. Denn in England herrscht erstens Home-Office-Pflicht, und zweitens muss er gerade ohnehin weltweit um das Image seines Unternehmens kämpfen.

Inzwischen hat Astra Zeneca dermaßen viele Probleme, dass es gar nicht so einfach ist, den Überblick zu behalten. In den Vereinigten Staaten hat Astra Zeneca erst vor wenigen Tagen eine Produktionsstätte an den US-Konkurrenten Johnson & Johnson verloren. In Südafrika versucht Soriot, das verloren gegangene Vertrauen in das Vakzin wiederherzustellen, nachdem dort das Verimpfen mit Astra Zeneca im Februar gestoppt worden war. Und in Europa scheint der Ärger gar nicht mehr aufhören zu wollen.

Er agiere wie ein Gebrauchtwagenhändler, schimpften EU-Abgeordnete

Am Montagabend wurde bekannt, dass nun offenbar auch die britische Arzneimittelbehörde MHRA erwägt, Jüngere nicht mehr mit Astra Zeneca zu impfen. Der Grund dafür ist die auffällige Häufung von Blutgerinnseln in Hirnvenen, sogenannten Sinusvenenthrombosen, die nach der Impfung aufgetreten sind. Länder wie Frankreich, Kanada und Deutschland haben bereits ihre Impfvorschriften geändert. Sollte auch noch Großbritannien folgen, wäre das ein weiterer Rückschlag für Soriot.

Der Chef von Astra Zeneca hat schon mehrere Krisen erlebt, aber noch nie stand er so stark im Fokus der Öffentlichkeit wie jetzt. Bislang macht Soriot allerdings keine gute Figur. In Europa dürfte vor allem sein Auftritt bei einer Videoschalte mit Abgeordneten des EU-Parlaments in Erinnerung bleiben, als es um verzögerte Lieferungen ging. Der Astra-Zeneca-Chef musste sich zum Beispiel anhören, er agiere wie ein unzuverlässiger Gebrauchtwagenhändler.

Soriot konnte der Kritik der Parlamentarier nicht wirklich etwas entgegensetzen. Er wiederholte immer wieder die gleichen Floskeln. Die Entwicklung eines Impfstoffs sei "hochkomplex", sein Unternehmen sei nach wie vor "in einer Lernphase", man arbeite "rund um die Uhr". Zum umstrittenen Liefervertrag mit der EU sagte er kaum etwas. Spätestens seit diesem Auftritt Ende Februar gilt Soriot in Brüssel als einer, dem nicht so recht über den Weg zu trauen ist.

Trotz allem scheint der Astra-Zeneca-Chef fest entschlossen zu sein, weiter um den Ruf seines Unternehmens zu kämpfen. Pascal Soriot sei einer, der immer wieder aufstehe, heißt es. Der heute 61-Jährige habe schon als Jugendlicher auf den Straßen der Pariser Banlieue gelernt, sich durchzusetzen. Als sein Vater starb, war er gerade einmal 20 Jahre alt. Pascal Soriot studierte Veterinärmedizin und Wirtschaftswissenschaften in Frankreich. Er arbeitete für mehrere Pharmafirmen und war in Asien, Amerika und Australien im Einsatz.

Seit 2012 ist Pascal Soriot Vorstandsvorsitzender von Astra Zeneca. Die Zusammenarbeit mit der Universität Oxford bei der Impfstoffentwicklung war für ihn ein Wagnis. Die Uni forderte von Soriot, das Vakzin auf Non-Profit-Basis herzustellen, insbesondere auch für die ärmeren Staaten der Welt. Soriot willigte ein und sagte dem Verantwortlichen an der Uni Oxford: Seine beiden Kinder würden ihn "killen", wenn er das nicht machen würde. Vom Wohltäter-Image ist mittlerweile nicht mehr viel übrig.

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