Proteste:Kinder sind keine Schutzschilde

Proteste: Bei dieser weihnachtlichen Demonstration in Schweinfurt gegen Corona-Maßnahmen sind mehrere Menschen verletzt worden. Ein Kind geriet in eine Pfefferspraywolke.

Bei dieser weihnachtlichen Demonstration in Schweinfurt gegen Corona-Maßnahmen sind mehrere Menschen verletzt worden. Ein Kind geriet in eine Pfefferspraywolke.

(Foto: Josef Lamber/dpa)

Wer seine kleinen Töchter und Söhne auf gewalttätige Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen mitnimmt, handelt verantwortungslos und gefährdet das Kindeswohl.

Kommentar von Ulrike Heidenreich

Ein Kind! Verletzt von der Polizei! Mit Pfefferspray! Die Eltern wollten doch nur ihre Grundrechte verteidigen! Hier kommt alles zusammen, das verschiedenste Reflexe anspricht. Empörung gegen den Staat pur. Schöner können sich das jene Menschen nicht ausdenken, die auf einschlägigen Social-Plattformen die Stimmung gegen Corona-Maßnahmen anheizen.

Was war passiert? Eine Demonstration im bayerischen Schweinfurt lief aus dem Ruder. Hunderte Demonstranten versammelten sich am Sonntag erst friedlich, dann kam das, was in den vergangenen Monaten bundesweit oft geschah: Aus sogenannten Spaziergängen werden gewalttätige Marschkolonnen. Leute, die zuvor über Telegram ihre Strategie abgesprochen haben, durchbrechen Polizeiketten, verletzen Beamte mit Faustschlägen und Fußtritten. Ihnen ist es vollkommen egal, ob Kinder diese Szenen mitansehen müssen. Im Gegenteil, sie nutzen sie perfide als Schutzschilde. In Schweinfurt wollte eine Mutter eine Absperrung durchbrechen, an ihrer Hand: ein vierjähriges Kind, das denn auch in eine Pfefferspraywolke geriet. Polizisten spülten ihm die Augen aus, Gott sei Dank ging alles gut.

Keine medizinischen Folgen also, aber wie sieht es in den Herzen und Köpfen von Kindern aus, die von ihren Erziehungsberechtigten auf Querdenker-Demos mitgeschleppt werden? Welches Bild von der Polizei, vom Staat wird da vermittelt? Dass Proteste gegen Corona-Maßnahmen gezielt instrumentalisiert werden, dürfte sich herumgesprochen haben. Dass Eltern wiederum ihre Kinder instrumentalisieren, ist in höchstem Maße verantwortungslos. Es gehört zum Kalkül vieler Veranstalter angemeldeter Demos, Familien mit möglichst vielen Kindern aufzurufen. Für die Polizei stellt das eine kaum zu lösende Aufgabe dar. Wie sollen sie sich wehren, wenn sie bespuckt und angegriffen werden? Wenn die Aggressoren Kinder an der Hand haben, bleibt der Schlagstock eher im Gürtel.

Diese Eltern verstoßen gegen das Grundrecht auf Schutz vor Gewalt

Eltern, die ihre Kinder zu Protesten mitnehmen, bei denen weder Mindestabstände eingehalten noch Masken getragen werden, setzen diese bewusst Ansteckungen aus. Sie riskieren, dass die Kinder bei Rangeleien verletzt werden und außer psychisch auch körperlich zu Schaden kommen. Das gefährdet das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Und da krakeelen erwachsene Demonstranten ernsthaft herum, dass ihnen persönlich die Grundrechte genommen werden?

Eltern haben eine Schutzfunktion gegenüber ihren Kindern. Sie dürfen sie nicht für politische Zwecke missbrauchen. Natürlich sollen die Kleinsten der Gesellschaft lernen und ansehen, wie Demokratie auch auf der Straße funktioniert. Es ist aber etwas anderes, ob man als Familie im Fahrradkorso bei den Protesten gegen die Internationale Automobilausstellung in München mitfährt, oder ob man gezielt Polizisten angreift.

Bei einer Demo in Cuxhaven hat der Kinderschutzbund beobachtet, wie ein Kleinkind von einem Mann in ein Handgemenge zwischen Teilnehmenden und Polizisten gezogen wurde. Das ist eine bewusst eingegangene Kindeswohlgefährdung. Eltern sollten sich klarmachen, dass ihnen Strafverfahren drohen, mindestens wegen fahrlässiger Körperverletzung, sollte ihren Kindern etwas passieren.

Im Fall Schweinfurt wurde gegen die Mutter Anzeige erstattet und das Jugendamt von der Polizei informiert. Es sollten bereits am Montag, einen Tag nach der Demonstration, Urteile ergehen gegen andere festgenommene Teilnehmer. Die sogenannten beschleunigten Verfahren am Amtsgericht sind zu begrüßen. Denn Gefahr ist im Verzug - vor allem für schutzlose Kinder von Demonstrantinnen, die jeden Maßstab verloren haben.

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