Lehrer:Es darf ein bisserl mehr sein

Den Bedarf an Pädagogen in den Schulen auf Jahrzehnte vorauszusagen, ist schwierig, keine Frage. Aber so oft und verlässlich, wie die Bundesländer danebenliegen, hat das keine mildernden Umstände verdient.

Kommentar von Paul Munzinger

Keine Frage: Heute vorzusorgen, damit in sechs oder zehn oder fünfzehn Jahren so viele Lehrer zur Verfügung stehen, wie die Schulen brauchen, ist schwierig. Die Ausbildung dauert eben, aus gutem Grund. Und es gilt ja nicht nur die Geburtenrate zu beachten, sondern auch die Zuwanderung, die - wie nach 2015 gesehen - die Zahl der Kinder im Klassenzimmer von einem Tag auf den anderen erhöhen kann. Auch Reformen können plötzlich die Rechengrundlagen verändern. Was, wenn die Klassen kleiner werden? Oder die Lehrer weniger unterrichten sollen? Und wer soll vorhersehen, dass das Gymnasium erst auf acht Jahre verkürzt und dann wieder auf neun Jahre verlängert wird?

Eine Lehrerbedarfsprognose ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Wer sich hier einmal verrechnet, darf auf mildernde Umstände hoffen. Doch wer sich hier dauernd verrechnet, darf das nicht. Die Bundesländer haben es in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast nie geschafft, so viele Lehrer auszubilden, wie sie eigentlich einstellen müssten. Und sie dürften die eigenen Ansprüche auch in den kommenden Jahren nicht einmal im Ansatz erfüllen, wie ihnen der Bildungsforscher Klaus Klemm nun vorrechnet. Was den erfahrenen Wissenschaftler mit Recht erschüttert: dass manche Länder sich nicht einmal die Mühe machen, sich der höheren Mathematik zu stellen - sondern statt Prognosen lieber Wunschlisten erstellen.

Der Lehrermangel trifft nicht alle Schulen gleich. Er trifft vor allem Grund- und Förderschulen sowie Schulen, die als schwierig gelten - die Schulen also, auf die in den nächsten Jahren besonders viel Arbeit für die Corona-Aufarbeitung wartet. Die Länder sollten sich deshalb nicht nur mehr Mühe geben und besser absprechen. Sie müssen auch gezielter für die Schulen ausbilden, wo tatsächlich Mangel herrscht. Und sie sollten sich den Anspruch leisten, den Lehrerbedarf nicht nur zu erfüllen, sondern überzuerfüllen. Denn nur wer großzügig plant, fällt weich, wenn er sich mal verrechnet.

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