Es ist bestimmt kein Zufall, wenn zwei Tage nach der Bundestagswahl in Hamburg eine Razzia stattfindet, bei der es auch um die SPD geht. In diesem Fall, in dem der frühere Hamburger Bürgermeister und SPD-Kanzlerkandidat eine wichtige Rolle spielt, wird schon länger ermittelt; nicht gegen Scholz allerdings. Die Kölner Staatsanwaltschaft will klären, ob die hanseatische Privatbank Warburg im Cum-Ex-Steuerskandal auch dank guter Verbindungen in die SPD lange Zeit vom dortigen Fiskus geschont wurde. Und ob das dann eine strafbare Begünstigung gewesen wäre.
Die Ermittler aus Köln hätten bestimmt schon früher den Fiskus in Hamburg und bei zwei ehemaligen, mit Scholz gut bekannten SPD-Politikern durchsuchen können, sofern sie das gewollt hätten. Es spricht viel dafür, dass die Justiz in Nordrhein-Westfalen bewusst bis nach der Wahl gewartet hat. Und das aus gutem Grund. Alles andere wäre ein Eingriff in den Wahlkampf gewesen, unnötig und falsch.
Die Kölner Justiz ist besonnener als die von Osnabrück
Die Union hätte wahrscheinlich versucht, daraus einen Scholz-Skandal zu machen. Die SPD wäre umgekehrt vermutlich versucht gewesen, das als Laschet-Skandal hinzustellen. Nach dem Motto, die NRW-Justiz lasse sich von der von Laschet geführten Landesregierung instrumentalisieren, um Scholz zu schaden. Staatsanwaltschaften sollen nicht Wahlkampf machen, sondern ermitteln, ob ein Verdacht zutrifft oder eben nicht. Insofern agiert die Kölner Justiz besonnener als jene in Osnabrück, die vor der Wahl in einem Geldwäschefall die Ministerien für Finanzen und Justiz in Berlin durchsuchen ließ und damit jede Menge Schlagzeilen und Wahlkampfrhetorik um Finanzminister Scholz auslöste.
Was aber ist nun mit Scholz? Als er Bürgermeister in Hamburg war, sprach der Privatbankier Christian Olearius mehrmals mit ihm über anstehende Steuerforderungen in Millionenhöhe gegen sein Bankhaus Warburg. Es ging um sogenannte Cum-Ex-Aktiengeschäfte, bei denen viele Banken den deutschen Fiskus ausgenommen hatten. In einem Untersuchungsausschuss in Hamburg hat er solche Cum-Ex-Machenschaften als Steuerbetrug bezeichnet und den Verdacht, er habe zugunsten von Warburg Einfluss auf den Hamburger Fiskus genommen, von sich gewiesen. So etwas, so Scholz, wäre eine "politische Dummheit" gewesen. Und dazu neige er nicht.
Inzwischen gibt es bei Cum-Ex erste Urteile gegen Warburg, damals, im Herbst 2016, war das alles ein noch nicht aufgeklärter Verdacht. Eine politische Dummheit hat Scholz in diesem Fall aber offenbar begangen. Er soll dem ihm gut bekannten Privatbankier Olearius im Herbst 2016 geraten haben, in Kopie auch dem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher ein Schreiben zukommen zu lassen, das Warburg ans Finanzamt geschickt hatte. Tschentscher ist heute als Nachfolger von Scholz Bürgermeister in Hamburg. Scholz hat im Hamburger U-Ausschuss diesen offenkundigen Ratschlag an Olearius als Hinweis auf den "Dienstweg" bezeichnet. Ein solcher Ratschlag, an den sich Scholz nach eigener Darstellung im Gegensatz zu Olearius nicht erinnern kann, den er aber nicht in Abrede stellt, wäre mitnichten der Dienstweg gewesen. Laufende Steuerfälle sind Sache des Finanzamts und nicht der Politik. Ein Regierungschef sollte sich da völlig heraushalten und nur einen einzigen Ratschlag geben: Bereden Sie bitte alles mit dem zuständigen Finanzamt, und nichts mit mir.
Und ob da mehr war als eine politische Dummheit, das soll die Staatsanwaltschaft klären. Ganz in Ruhe, jetzt nach der Wahl.