Sie würden die Rechte der Frauen achten, "insofern sie sich im Rahmen der Scharia bewegen", verkündeten die Taliban nach der Übernahme Kabuls. Der Begriff Scharia ist so schwammig wie politisch aufgeladen - für viele im Westen steht er synonym für Steinigungen und Körperstrafen. Ein Gesetzesbuch, in dem Vergehen und drakonische Strafen aufgelistet sind, ist die Scharia jedoch nicht, wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff der "deutlich gebahnte Weg", manchmal auch der "Weg zur Tränke". Die Wissenschaft drückt es weniger lyrisch aus, sie definiert die Scharia als "die Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen, Mechanismen zur Normfindung und Interpretationsvorschriften des Islam". Vorschriften, Empfehlungen, Verbote für quasi jeden Lebensbereich leiten muslimische Gelehrte aus verschiedensten Quellen ab: aus dem Koran, aus Überlieferungen aus dem Leben des Propheten, aus dem Konsens von Rechtsgelehrten, aus Analogieschlüssen. Weil der Islam im Gegensatz etwa zum Christentum dezentral organisiert ist und keine normensetzende Institution hat, die zulässige Interpretationen kanonisiert, bleibt vieles Auslegungssache. Dass die Taliban mit sich über ihr konservatives Rechtsverständnis diskutieren lassen, ist jedoch kaum zu erwarten.
Aktuelles Lexikon:Scharia
Ein schwammiger und politisch aufgeladener Kampfbegriff.
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