Saarland:Die Frau mit dem Spaten

Saarland: Gut möglich, dass sie die Plätze tauschen: SPD-Kandidatin Anke Rehlinger und Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) auf Wahlplakaten im Saarland.

Gut möglich, dass sie die Plätze tauschen: SPD-Kandidatin Anke Rehlinger und Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) auf Wahlplakaten im Saarland.

(Foto: Oliver Dietze/dpa)

Bei der ersten Landtagswahl seit dem Regierungswechsel in Berlin muss die CDU um die Macht bangen: Die Kontrahentin von der SPD liegt in Umfragen meilenweit vor Ministerpräsident Tobias Hans.

Von Gianna Niewel

Es ist schwer zu sagen, wann die CDU im Saarland, wann Tobias Hans angefangen hat, nervös zu werden. Vielleicht war es Ende Januar, als die Partei in Umfragen fünf Prozentpunkte hinter der SPD lag. Vielleicht war es Mitte Februar, als der Ministerpräsident sein Team vorstellte, um nur wenige Stunden später dessen Kulturbeauftragte wieder zu entlassen. Von ihr waren Fotos bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen aufgetaucht, sie trug keine Maske. Ganz sicher aber geriet etwas ins Wanken Mitte März, als Tobias Hans vor einer Tankstelle über die hohen Spritpreise klagte. Das Video ging viral, #niemehrcdu, auch weil er zwischen Geringverdienern und fleißig arbeitenden Menschen unterschied, was so klang, als seien Geringverdiener grundsätzlich eher faul. Das konnten sie dann auch in der CDU nicht mehr retten.

An diesem Sonntag wählen die Saarländerinnen und Saarländer einen neuen Landtag, es ist die erste Wahl nach der Bundestagswahl, nachdem Friedrich Merz Parteivorsitzender wurde. Und es sieht so aus, als würde die CDU die Schlüssel zur Saarbrücker Staatskanzlei abgeben müssen, als würde sie dieses Land verlieren, nach 22 Jahren.

"Isch kenn ähner, der ähner kennt."

Eigentlich haben Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber oft einen Amtsbonus, vor allem bei Landtagswahlen, sie sind bekannter und beliebter als ihre Herausforderer. Kurz vor der Wahl überträgt sich diese Beliebtheit auf die Partei. Im Saarland ist das anders: Nur 33 Prozent der Menschen würden Tobias Hans direkt wählen, 49 Prozent hingegen seine Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD). In einem Land, in dem die Menschen stolz sind auf ihr "Isch kenn ähner, der ähner kennt" (hochdeutsch: "Ich kenne jemanden, der jemanden kennt"), ist genau diese Sympathie aber ein entscheidender Faktor. Er fehlt der CDU. Oder anders: Da wird sich eher nichts übertragen.

Hinzu kommt, dass die Menschen Anke Rehlinger als kompetenter wahrnehmen, vor allem bei den entscheidenden Themen Arbeit und Strukturwandel. Für die ist Rehlinger als Wirtschaftsministerin zuständig. Sie hat etwa dafür gekämpft, dass Ford weiter in Saarlouis produziert - gerade ist nicht nur die Zukunft des Autowerkes ungewiss, sondern auch die von 4800 Beschäftigten -, sie verhandelt mit Firmen, die sich neu im Land ansiedeln wollen, wie etwa der Küchenhersteller Nobilia mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen. Natürlich ist das nie nur der Erfolg einer Person, aber sie ist die Ministerin, kein Spatenstich-Foto ohne sie. Das prägt sich ein.

Und so zeichnet sich im Saarland nicht weniger als ein Regierungswechsel ab - wenn auch nur ein kleiner. Denn SPD und CDU werden wohl in einer großen Koalition weitermachen, weitermachen müssen, nur unter neuer Führung. Dafür spricht, dass das Land eine stabile Regierung braucht, um den Strukturwandel zu schaffen. An der Saar sind SPD und CDU noch Volksparteien, nichts wäre stabiler. Die kleinen Parteien wiederum sind kaum verlässlich: Grüne und FDP stehen bei fünf Prozentpunkten, ihnen fehlen Regierungserfahrung und Personal. Die Linke kommt auf vier Prozentpunkte und jetzt ist auch noch Oskar Lafontaine ausgetreten.

Während auch von der Schwäche der kleinen Parteien am ehesten die SPD profitieren dürfte, muss sich die CDU aller Voraussicht nach gleich doppelt umgewöhnen: Im Saarland wäre sie zum ersten Mal nach 22 Jahren wieder der kleine Partner. In Berlin würde ein Trend anhalten, den die Partei eigentlich beendet haben wollte - nicht zuletzt mit ihrem neuen Vorsitzenden.

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