Süddeutsche Zeitung

Saarland:Saarbrücker Sorgen

Vor der Landtagswahl Ende März sehen die Umfragen nicht gut aus für Ministerpräsident Tobias Hans und seine CDU. Eine Niederlage hätte auch erhebliche Konsequenzen für die Bundespartei.

Kommentar von Gianna Niewel

Vor einem Jahr sah es so aus, als könne Tobias Hans nur an sich selbst scheitern. In Berlin galt er als eine der Hoffnungen der Bundes-CDU, im Saarland lag seine Partei in Umfragen zehn Prozentpunkte vor der SPD. Dass er Ministerpräsident bleiben würde? Ei joo. Das ist Saarländisch und heißt "na klar".

Ein Jahr später ist in Saarbrücken nichts mehr klar. Am 27. März wählen die Menschen einen neuen Landtag, es ist die erste Wahl, nachdem die CDU in Berlin das Kanzlerinnenamt geräumt hat, nachdem sie neu angefangen hat mit dem altbekannten Friedrich Merz. Doch in Saarbrücken kommt sie laut Saarländischem Rundfunk nur noch auf 28 Prozentpunkte. Fünf Punkte hinter der SPD.

Wenn Tobias Hans im Saarland verliert, wäre das auch für die Bundespartei ein denkbar schlechter Start ins Jahr 2022. Dort dürfte eine Niederlage vor allem die bestätigen, die glauben, mit Merz die viel beschworenen konservativen Werte wiedergefunden zu haben. Der gesellschaftlich progressive Hans? Konnte nicht klappen!

Amtsbonus vs. Bundestrend

Für den wiederum werden die nächsten Wochen nicht leicht. Er hat zwar den Bonus des amtierenden Ministerpräsidenten, aber er muss nicht nur gegen den Bundestrend, sondern auch gegen den Landestrend ankämpfen. Es ist zu früh zu sagen, ob er das schaffen wird oder nicht. Was sich sagen lässt: Es kommt auf drei Aspekte an.

Zunächst einmal, kann er die Partei mobilisieren? Das Saarland ist ein konservatives Land, in jedem Dorf ein Kirchturm und in der Staatskanzlei die CDU. Einzige Ausnahme waren die SPD-Jahre unter Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt. Als Tobias Hans 2018 das Amt übernahm, war das trotzdem eine Überraschung. Die damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wechselte nach Berlin und suchte einen Nachfolger, Hans galt nicht als Favorit, aber in Gesprächen zeigte er den meisten Ehrgeiz, und das passt zu der Art, wie er aufgestiegen ist. Er hat Politik immer gewollt.

Entscheidend wird sein, wie geschlossen die CDU trotz der schlechten Umfragewerte hinter ihm steht. Wie sehr die ihn wollen. Im November wählten sie ihn zwar mit 95,3 Prozent zum Landesvorsitzenden, aber 300 Stimmberechtigte machen keine Partei. Da sind die Landtagsabgeordneten, die sich um ihr Mandat sorgen. Da sind 15 000 Mitglieder in den Ortsverbänden, Gemeindeverbänden, Kreisverbänden, von denen sich einige, nur zum Beispiel, daran stören, dass Hans gendert. Noch können sie hoffen, dass die Umfragewerte besser werden, sobald der Wahlkampf begonnen hat, dass sich die Machtpartei CDU eben doch an der Macht hält.

Corona und andere Probleme

Der zweite Aspekt: Welches Thema entscheidet die Wahl? Natürlich überlagert die Pandemie viele Landesthemen, und natürlich kümmert sich Tobias Hans darum. Aber er hat das Pandemiemanagement so stark an sich gezogen, dass das zu einem Problem werden könnte. Zum einen, weil Corona zuletzt nur für sehr wenige Menschen im Land wahlentscheidend war, er aber kein anderes Thema so stark besetzt hat. Nicht den Strukturwandel (im Saarland arbeiten 44 000 Menschen in der Automobilindustrie, fast die Hälfte von ihnen an Verbrenner-Fahrzeugen), nicht die soziale Ungleichheit (jedes fünfte Kind wächst mit Hartz IV auf, so viele wie in keinem anderen Flächenland). Und zum anderen, weil das Corona-Management so gut dann auch nicht lief.

Im vergangenen Frühjahr machte Hans das ganze Land zu einer Modellregion für Lockerungen, aber 18 Tage später war die Inzidenz bundesweit so stark gestiegen, dass er die Lockerungen zurücknehmen musste. Im vergangenen Herbst wurde das Impfzentrum in Saarbrücken geschlossen, wenige Wochen später wieder geöffnet, er selbst sprach von einem Fehler. Und so wird er nicht nur versuchen müssen, eine möglichst gerade Linie in den Corona-Kurs zu bekommen, sondern gleichzeitig glaubhaft zu machen, dass er sich auch um Industrie, Wirtschaft, Soziales kümmert, um Themen, die den Menschen im Land - und besonders den Stammwählerinnen und Stammwählern - wichtig sind.

Der dritte und vielleicht wichtigste Aspekt ist die spezielle saarländische Gemengelage. Seit 2012 regiert in Saarbrücken eine große Koalition, und gerade sieht es so aus, als würde sie weitermachen müssen, als sei die einzige Frage nur: Wer führt sie an? Grund hierfür ist die katastrophale Lage der Grünen und der Linken. Beide Parteien zerfallen intern in Lager, die kaum mehr miteinander reden, sich aber gegenseitig mit Klagen und Ausschlussverfahren überziehen. Selbst wenn sie es in den Landtag schaffen sollten, wären sie kaum stabile Koalitionspartner. Die FDP dagegen steht bei acht Prozentpunkten, wenn sowohl sie und die SPD noch zulegen würden, wäre sogar ein sozialliberales Bündnis denkbar. Bei der CDU verdrängen sie diesen Gedanken ebenso wie den an weitere fünf Jahre große Koalition, aber unter SPD-Führung. Dann müssten die Christdemokraten gleich zu Beginn des politischen Jahres die Kisten in einer Staatskanzlei packen, und das wäre eine Niederlage, deren Folgen weit über Saarbrücken hinausreichen würden.

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