Süddeutsche Zeitung

Russland:Alles bleibt, wie es ist

Kein Mensch braucht eine solche Wahl wie die zur russischen Staatsduma an diesem Wochenende.

Von Silke Bigalke

Die Abstimmung in Russland dient nicht den Wählern, sie dient allein dem Kreml. Der möchte demonstrieren, dass eine überwältigende Mehrheit weiterhin die Kremlpartei stützt. Ihm macht dabei wenig aus, dass die Behörden die Wahl heftiger manipulieren mussten als in früheren Jahren und fast jeder das weiß oder ahnt. Der Sieg der ungeliebten Kremlpartei entfaltet trotzdem seine lähmende Wirkung.

Denn dem größeren, passiven Teil der Bevölkerung signalisiert diese Wahl, dass alles bleibt, wie es ist. Wer Zweifel daran hatte, dass immer noch eine Mehrheit hinter dem Kreml steht, dem wird nun suggeriert, dass Kollegen, Nachbarn, Bekannte eben doch in Scharen für Einiges Russland gestimmt haben. Besser also, man duckt sich wieder weg und schwimmt weiter mit dem Strom.

Der kleinen Gruppe aktiver Kritiker möchte der Kreml gleichzeitig beweisen, dass echte Opposition fruchtlos ist. Noch nie wurden so viele unabhängige Oppositionelle von der Wahl ausgeschlossen, aus dem Land vertrieben, vor Gericht gestellt. Mit dieser Repressionswelle beweist der Kreml allerdings noch etwas anderes: Dass die russischen Wähler durchaus einen eigenen Willen haben, dass sich der Kreml mit diesem Willen beschäftigt und ihn fürchtet. Anders lässt sich die gezielte Manipulation in bestimmen Wahlkreisen kaum erklären.

Deswegen ist es schade, dass die russischen Oppositionellen diesen Wählerwillen nicht stärker für sich nutzen. Das Angebot von Alexej Nawalny beispielsweise ist kein echtes politisches Programm, er organisiert lediglich Proteststimmen. Die Behörden haben dem inhaftierten Kremlkritiker zwar kaum eine Alternative gelassen. Allerdings gäbe es durchaus demokratische Kräfte in Russland, mit denen sich Nawalnys Team verbünden könnte. Doch in der ohnehin zerrupften russischen Opposition kämpft seit Jahren jeder für sich. Den Menschen, die bereit wären, gegen den Kreml zu stimmen, kann das kaum Mut machen.

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