Süddeutsche Zeitung

Rosneft:Deutschland nabelt sich ab

Der Bund entmachtet den russischen Ölkonzern - und kommt einem Schritt des Kreml zuvor. Das war überfällig.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Unter den vielen Rohstoff-Hähnen, an denen Wladimir Putin so drehen kann, fand einer immer zu wenig Beachtung: der für Öl. Noch um die 30 Prozent dessen, was hierzulande Autos fahren lässt und Heiztanks füllt, kam zuletzt aus russischen Ölquellen, das meiste davon über die Druschba-Pipeline. Diesen Fluss versiegen zu lassen, war immer auch eine unausgesprochene Drohung. Es hätte Deutschland unvorbereitet treffen können, namentlich die Gegend um die Hauptstadt. Sie hängt an der brandenburgischen Raffinerie Schwedt, und die wiederum gehört mehrheitlich dem russischen Ölkonzern Rosneft. Jedenfalls auf dem Papier.

Von Druschba keine Spur mehr

De facto hat mit diesem Freitag die Bundesnetzagentur das Sagen in Schwedt übernommen, sie ist ab sofort Treuhänderin über die Rosneft-Anteile. Die Bundesregierung zieht damit die Reißleine, sie nabelt sich von den russischen Einfuhren ab, ehe Russland seine Ausfuhren einstellt. Dieser Schritt war überfällig. Ein Staat, der unter fadenscheinigen Begründungen vertraglich vereinbarte Gasexporte einstellt, kann auch kein verlässlicher Lieferant von Öl mehr sein. Von Druschba, "Freundschaft", für die einst die Pipeline stehen sollte, ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine keine Spur mehr.

Das ändert auf die Schnelle nichts an der Abhängigkeit, es wird auch jetzt Entbehrungen nach sich ziehen. Sprit dürfte teurer werden, wenn die Druschba versiegt. Aber solange Rosneft in Schwedt die Regie führte, war es nahezu unmöglich, auf andere Lieferwege umzusteigen. Das wird nicht einfach und auch nicht billig. Aber der Weg dafür ist jetzt frei. Ein Lieferstopp aus Russland trifft das Land nun nicht mehr unvorbereitet. Damit gewinnt die Bundesregierung einiges an Souveränität zurück. Sie entreißt Wladimir Putin eines der Schräubchen, mit denen er den Westen jederzeit und unvorbereitet ärgern kann. Das Signal an den Kreml ist unmissverständlich: Die meinen es ernst.

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