Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Artikel 49.3

Das Hintertürchen für eine französische Regierung, wenn sie das Parlament umgehen will - so wie jetzt bei der Rentenreform geschehen.

Von Léonardo Kahn

Präsident Emmanuel Macron hat seine Rentenreform mithilfe einer besonderen Möglichkeit durchgedrückt, die ihm die Verfassung gibt: Artikel 49 Absatz 3. Charles de Gaulle hatte ihn 1958 in der Verfassung verankert, aus Angst, das Parlament könnte nach dem Zweiten Weltkrieg zu mächtig werden und die Arbeit der Regierung lähmen. Er besagt, dass ein von der Regierung unter Berufung auf ihn eingebrachtes Gesetz als angenommen gilt - es sei denn, ein innerhalb von 24 Stunden eingereichter Misstrauensantrag gegen die Regierung erhält eine Mehrheit. Er darf nur drei Mal pro Sitzungsperiode (die jeweils von Oktober bis Juni läuft) angewandt werden. Allerdings gibt es eine Ausnahme: wenn sich das geplante Gesetz auf das Staatsbudget bezieht - und das ist auch bei der Rentenreform der Fall. Deshalb konnte Premierministerin Élisabeth Borne innerhalb weniger Monate den Artikel schon elf Mal ziehen. Doch damit liegt sie noch weit hinter dem Sozialisten Michel Rocard, der zwischen 1988 und 1991 insgesamt 28 Mal von ihm Gebrauch machte. Es handelt sich um ein Instrument, das dann besonders relevant wird, wenn die Regierung keine Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Diesmal sind zwei Misstrauensanträge gegen Macrons Regierung angekündigt; sie gelten aber als chancenlos.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5770726
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.