Rentenbesteuerung:Olaf Scholz und sein toxisches Erbe

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Der Bundesfinanzminister verkündet eine weitreichende Korrektur der Rentenbesteuerung, für den Fall, dass er Kanzler wird. Seine Wahlversprechen werden immer teurer.

Von Hendrik Munsberg

Im Wahlkampf geht plötzlich vieles - auch für den Bundesfinanzminister. Deutschlands Rentnerinnen und Rentner sollen entlastet werden, kündigte Olaf Scholz (SPD) am Wochenende an. Er werde für den Fall, dass er Kanzler wird, das geltende Regelwerk umfassend korrigieren - zu Gunsten der Steuerzahler. Um zwanzig Jahre soll die volle Besteuerung der Ruhegelder nun bis 2060 hinausgeschoben werden, zudem könnten Beiträge an die Rentenkasse schon bald in vollem Umfang vom Fiskus anerkannt werden. Heutigen Ruheständlern wird das allerdings wenig nützen, umso mehr den Jüngeren, die erst in den nächsten vier Jahrzehnten in Rente gehen.

Scholz stand als Wahlkämpfer unter Druck. In einem fulminanten Urteil hatte der Bundesfinanzhof kürzlich festgestellt, dass die geltende Rentenbesteuerung nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügt - vor allem künftige Generationen, warnten die Richter, könnten von einer verbotenen Doppelbesteuerung betroffen sein. Es geht also vorrangig um die Interessen jüngerer Menschen, gerade sie werden es künftig immer schwerer haben, fürs Alter finanziell vorzusorgen. Die Korrektur ist also zweifellos überfällig. Und sie schüfe ein wenig mehr Generationengerechtigkeit. Den in Corona-Zeiten finanziell stark beanspruchten Staat wird das aber weitere Milliarden kosten.

Kein Wunder, dass Scholz, bevor die BFH-Richter ihr Urteil sprachen, noch getan hatte, was alle seine Vorgänger im Amt des Bundesfinanzministers getan hatten, seit 2005 die Neuregelung der Rentenbesteuerung in Kraft trat: Er schaltete auf stur und hielt den Kritikern entgegen, alles sei korrekt gerechnet. Dabei weisen namhafte Experten schon seit Langem darauf hin, dass beim Zuschnitt der Rentenbesteuerung seinerzeit unbillig zu Lasten der Rentner und zu Gunsten der Staatskasse gerechnet wurde - und dass das Risiko der Doppelbesteuerung mit jedem neuen Rentnerjahrgang etwa von 2025 an wachsen würde. Wie es dazu kommen konnte, ist historisch leicht erklärbar. Die damalige Bundesregierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel steckte in akuten Finanznöten. Eine großzügigere Besteuerung glaubte man sich nicht leisten zu können.

Was Scholz nun auf die Füße fällt, ist ein toxisches sozialdemokratisches Erbe, für das er persönlich nichts kann. Und das seinerzeit ohne Zustimmung der Union im Bundesrat so auch nicht zustande gekommen wäre. Das ist bitter für den SPD-Kanzlerkandidaten Scholz, der Deutschlands Arbeitnehmer und Unternehmen gerade klug und weitsichtig durch die Corona-Krise gesteuert hat.

Allerdings macht der Wahlkämpfer Scholz jetzt auch immer neue Versprechen, die irritierend weitreichende Folgen für die Staatskasse haben. So "garantiert" er für die Zukunft ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent und fügt hinzu, jeder Beitragszahler solle bei einer Unionsregierung darauf gefasst sein, dass das Rentenniveau sinke. Schon heute muss der Bund mehr als 100 Milliarden Euro jährlich an die Rentenkasse überweisen, die Summe wird künftig in die Höhe schnellen. Nun sollen weitere Milliarden hinzukommen, um die Rentenbesteuerung zu reformieren. Es sieht so aus, als würde Scholz sich zutrauen, diese Aufgaben zu bewältigen - wenn er zum Kanzler gewählt würde. Die Frage ist nur, ob die Wähler ihn dazu machen.

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