Regenbogenpresse:Wenn Prominente gejagt werden

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Eine heimliche Mutter von Michael Schumacher taucht auf, Helene Fischer verschwindet spurlos: Oft loten Klatschblätter die Grenzen der Wahrheit aus. (Foto: Baumstieger/Montage: SZ)

Klatschmagazine schreiben am liebsten über Stars und Sternchen und überschreiten dabei immer wieder Grenzen. Das machen sie durchaus kalkuliert.

Von Moritz Baumstieger

Seine Familie schirmt den 2013 verunglückten Rennfahrer Michael Schumacher hermetisch ab - trotzdem oder genau deswegen interessiert sich die Regenbogenpresse brennend für ihn. Offizielle Infos dazu, wie es um Schumacher steht, gibt es seit Jahren so gut wie keine, in der Schlange vor der Supermarktkasse hat man dennoch gute Chancen, das Gesicht des heute 52-Jährigen auf einem Titel im Zeitschriftenregel zu sehen. Gerade etwa raunt Das neue Blatt: "Heimliche Mutter aufgetaucht - Exklusives Interview".

Die heimliche Mutter, das steht dann auf Seite 5, ist eine Wirtin in Italien, bei der Schumacher gerne aß. Dass der Kerpener nicht nur die tagliatelle al ragù von Rossella Giannini schätzte, sondern auch die Köchin scherzhaft "Mamma" rief - das konnte man 2010 in der SZ lesen, 2014 im Stern, 2016 in Bild und Bunte, 2018 in der Welt. "Geheim", "aufgetaucht" und "exklusiv"? Nun ja.

Ist das Betrug? Eher Unterhaltung: Eine Branche produziert Märchen für Erwachsene mit Millionenauflage, die Rollen von Dornröschen und edlem Ritter, böser Stiefmutter und verletzlichem Helden werden mit Prominenten besetzt. Schon lange, bevor das Wort Fake News zu Prominenz gelangte, brachten die Heftchen die Masche zur Perfektion, derer sich heute politische Scharfmacher bedienen: Ein Fünkchen Wahrheit wird so verdreht, aus dem Kontext gerissen und aufgeblasen, dass ein Schocker entsteht. Und wenn Kritiker darauf aufmerksam machen, heißt es: Das Publikum liebe eben Überspitzungen, könne die aber schon einordnen.

Auf das Persiflage-Magazin von Jan Böhmermann reagierte die Branche dünnhäutig

Eine solche Medienkompetenz beim Publikum wäre wünschenswert, Studien zeigen jedoch, dass viele schon bei der Unterscheidung zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten scheitern. Dass dies den Verlegern von Klatschblättern durchaus bewusst ist, zeigte ihre dünnhäutige Reaktion auf den Satiriker Jan Böhmermann: Kürzlich legte der ein Persiflage-Magazin auf, das die Regenbogenpresse mit ihren eigenen Mitteln auf die Schippe nahm. Wenn falsche Schlagzeilen nur Unterhaltung wären, hätten die Märchenerzähler herzlich lachen können. In der vergangenen Woche gaben die jedoch empörte Statements raus - und wittern Rechtsbruch.

Mit dem Gerichtsweg kennen sie sich aus. Denn immer wieder belassen es die Verlage nicht beim weitestmöglichen Dehnen der Wahrheit. Von einer vergleichbar milden Nebenwirkung, die Prominenz eben mit sich bringt, kann man vielleicht noch sprechen, wenn ein nichtssagendes Zitat einer Wirtin zu einer Titelgeschichte über einen ehemaligen Stammgast hochgekocht wird. Wenn sich Familie Schumacher aber auf dem eigenen Grundstück im Wortsinne abschirmen muss - mit Regenschirmen, weil Paparazzi Drohnen losschicken -, hat das nichts mehr mit moderner Märchenerzählung zu tun.

Dass solche Exzesse juristisch verfolgt werden, ist gut. Ihr Verhalten werden die Blattmacher jedoch erst ändern, wenn Schadenersatz und Schmerzensgeldzahlungen, die Richter auf Klagen hin verhängen, deutlich höher ausfallen würden. Solange das Geschäft trotz dieser einkalkulierten Zahlungen profitabel ist, wird sich wenig ändern.

Denn die Verlage wissen, was sie tun: In ihrer aktuellen Ausgabe macht sich die Neue Post etwa "große Sorgen" um Helene Fischer - die "Spurlos verschwunden!" ist. Auf Seite 76 taucht die Sängerin dann auf, das Paparazzi-Foto ist so unterschrieben: "Fast unkenntlich spaziert Helene Fischer hier durch Düsseldorf. Aber warum nur?" Die Antwort kann das Blatt bei sich und seinen Mitbewerbern finden.

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