MeinungRegierungskrise in Österreich:Die ÖVP hatte keinen Plan A, keinen Plan B, keinen Plan C

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Kommentar von Verena Mayer

Lesezeit: 2 Min.

Andere sind abgesprungen, und er verbiegt sich nun: Christian Stocker, der Neue an der Spitze der ÖVP. (Foto: Georges Schneid/IMAGO/photonews.at)

Besonders für die Konservativen ist es die Gretchenfrage unserer Zeit: Wie hältst du es mit dem Rechtspopulismus? In Wien haben sie die denkbar schlechteste Antwort gefunden.

Viele absurde Szenen haben sich in den vergangenen Tagen in Österreich abgespielt, doch gehört diese wohl zu den absurdesten: Nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer von der konservativen ÖVP hingeworfen hatte, weil er sich immer geweigert hatte, seine Volkspartei zur kleineren Partnerin des extrem rechten Herbert Kickl von der FPÖ zu machen, hat die ÖVP hektisch jemanden gesucht, der genau diesen Job übernehmen könnte.

Eine Nacht der hektischen Suche

Vermutlich wird in den Satireformaten des Landes schon daran gearbeitet, sich auszumalen, wie diese Suche ablief. Den Medien ist zu entnehmen, dass wohl eine Nacht lang alle möglichen Leute angerufen wurden, darunter offenbar auch Sebastian Kurz, der frühere ÖVP-Bundeskanzler und gefallene Hoffnungsträger, der inzwischen wegen Falschaussage nicht rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Nur, dass das überhaupt nicht lustig ist. Nicht nur agiert hier eine altehrwürdige Volkspartei wie ein überlastetes Provinzkrankenhaus, das während der Grippewelle Lücken im Dienstplan stopfen muss. Sie tut das auch angesichts einer Situation, die vollkommen absehbar war.

Seit Jahren sehen sich die Parteien der Mitte mit Populisten konfrontiert. Besonders für die Konservativen ist es die Gretchenfrage geworden: Wie hältst du es mit dem Rechtspopulismus? Mit Kräften, die, wie es der Populismus-Forscher Jan-Werner Müller formulierte, „der Tendenz nach zweifellos undemokratisch sind“.  Parteien wie der extrem rechten FPÖ geht es nicht um Teilnahme, sondern darum, die Demokratie mit den Mitteln der Demokratie auszuhöhlen.

Als man noch dachte, man könne die Rechten entzaubern

Gerade von der ÖVP hätte man erwarten können, dass sie auf den Tag X vorbereitet ist, an dem die FPÖ sie bei einer Wahl als stärkste Kraft überholt. Die Rechtspopulisten gehören seit den Neunzigerjahren zum politischen Alltag in Österreich, ihr Aufstieg war vielleicht nicht immer aufhaltsam, aber eindeutig vorhersehbar. Die ÖVP hatte genügend Zeit, um einen Plan A, B oder auch C zu entwickeln.

Nicht zuletzt wäre die Parteigeschichte eine gute Lehrerin gewesen. Denn die ÖVP hat schon einmal der rechten FPÖ zu Regierungsverantwortung verholfen. Im Jahr 2000 war das, der FPÖ-Chef hieß Jörg Haider. Damals dachte man, man könnte die Rechtspopulisten entzaubern, wenn sie sich den Mühen der politischen Ebene aussetzen müssen. Das Gegenteil war der Fall. Die FPÖ wurde nicht nur stärker, sondern unter Herbert Kickl (der sein Handwerk als Redenschreiber Jörg Haiders lernte) auch immer radikaler. Nun muss sich die ÖVP von ihm demütigen lassen.

Der tragische Fall einer einst großen Partei

Es ist fast tragisch mitanzusehen, wie kopflos eine frühere Großpartei agieren kann, die über Jahrzehnte die Geschicke ihres Landes bestimmt hat. Wie sie auf der Suche nach sich selbst ist und zerrieben wird zwischen Kräften, die bei der Zusammenarbeit mit Herbert Kickl Schmerzgrenzen haben, und denen, die um jeden Preis ihren politischen Einfluss sichern wollen. Wie sich die einen nun verbiegen und die anderen abspringen, weil sie das nicht mitmachen wollen.

Es ist wie so oft mit unangenehmen Dingen, die berechenbar, aber in gefühlter Ferne sind. Man schiebt es so lange wie möglich auf, sich ihnen zu stellen. Am Beispiel der ÖVP kann man nun beobachten, wie wenig Spielraum in der Politik bleibt, wenn die Volksparteien den wichtigsten Punkt auf ihrer To-do-Liste ignorieren: sich auf die Auseinandersetzung mit Populisten vorzubereiten, wenn diese stärkste Partei geworden sind.

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