RBB und der Fall Schlesinger:Live aus dem Alabaster

RBB und der Fall Schlesinger: Sie demonstrieren gegen ihren Arbeitgeber und berichten über ihn: RBB-Angestellte am Montag in Berlin.

Sie demonstrieren gegen ihren Arbeitgeber und berichten über ihn: RBB-Angestellte am Montag in Berlin.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Erneut geht eine Reformdebatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Osten aus. Wer sie abermals selbstgenügsam abmoderieren will, schadet der ganzen Gesellschaft.

Kommentar von Cornelius Pollmer

Es gibt für Journalisten in Deutschland derzeit kaum einen spannenderen Arbeitgeber als den Rundfunk Berlin-Brandenburg, jedenfalls dann, wenn sie nicht Patricia Schlesinger heißen. Die Vorwürfe der Vorteilsannahme und Vetternwirtschaft gegen die ehemalige Intendantin des RBB sind gründlich aufzuklären, wie auch eine strafrechtliche Prüfung richtig ist. Parallel lässt sich schon jetzt beobachten, wie wertvoll jenes System für die Allgemeinheit sein kann, dem Schlesinger mutwillig oder fahrlässig Schaden zugefügt hat: Die ehemaligen Untergebenen begleiten die Aufklärung sachlich im eigenen Programm, sie recherchieren und berichten so gewissenhaft über ihren Arbeitgeber, dass man als Zuschauer sich mal wieder vergegenwärtigen kann, was für eine tolle Erfindung Journalismus eigentlich ist, so ganz grundsätzlich.

Im RBB erfährt man so ganz nebenbei, dass die zuvor sagenumrankte Chefetage des Hauses nicht etwa mit Alabaster ausgekleidet war - sondern dass man sich in Berlin nach guter deutscher Art selbst beim Protzen noch den Sinn fürs Hässliche bewahrte. Im Kern der nun geführten Debatte aber geht es nicht um vorgeöltes italienisches Parkett, und es geht auch nicht um mutmaßlich private Treffen, deren angeblich dienstlicher Charakter sich einzig beim Ausfüllen von Bewirtungsbelegen kurz offenbarte. Im Kern der Debatte geht es vielmehr um die berechtigte Frage, was zeitgemäße öffentlich-rechtliche Medien leisten sollten und welche Ausstattung sie dafür benötigen.

Ist das Programm zu ältlich? Zu teuer? Zu links? Mehrfachnennungen sind möglich

Seit Jahren ist klar, dass der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überholt ist und dass ihn auch deswegen alle möglichen Akzeptanzprobleme plagen. Manchen ist das Angebot zu ältlich, anderen ist es zu teuer, Dritten zu erzieherisch und links. Mehrfachnennungen möglich. Wiederum noch andere kommen gleich gar nicht mehr mit diesem Angebot in Kontakt, auch das ist ein gewaltiges Problem. Wie geht man all das am besten an? Und wo ließe sich damit beginnen?

Dass mit den Vorgängen beim RBB die Reformdebatte jetzt ein weiteres Mal vom Osten ausgeht, ist auffällig. Es war in Thüringen, wo durch Untreue beim Kinderkanal ein Millionenschaden entstand. Es war in Sachsen-Anhalt, wo die Regierung eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockierte. Es war in Sachsen, wo sich bei Demonstrationen neben sachlicher Kritik auch stumpfer Hass gegen speziell ARD und ZDF etablierte und wo sich in desinteressierten Kreisen der groteske Irrglaube verfestigte, Journalismus sei immer nur ein anderes Wort für Marionettentheater. Es ist also der Osten der Republik, wo der Druck auf das öffentlich-rechtliche System am größten ist - aber auch dessen Chance, mit etwas Mut herauszufinden, wie er besser auf Kritik und eine sich fortwährend wandelnde Gesellschaft reagieren könnte.

Gesellschaften unter Stress brauchen Journalismus in herausragender Weise

Diese Gesellschaft wird auf absehbare Zeit unter gewaltigem Stress stehen. Stress durch Weltpolitik und Weltwirtschaft, durch Demografie, Stress durch Klima sowieso. Im Osten wirken manche dieser Kräfte früher und stärker, und sie wirken auf Regionalgesellschaften, in denen flächendeckender Journalismus teilweise keine Selbstverständlichkeit mehr ist und in Zukunft noch seltener sein wird. Solche Gesellschaften unter Stress aber brauchen einen funktionierenden Journalismus in herausragender Weise, nicht zuletzt, damit exponierte Akteure kontrolliert werden können und damit die breite Bevölkerung Repräsentation erfährt.

Bislang liefen die auf Skandale folgenden Debatten jedoch immer gleich. Die Öffentlich-Rechtlichen versprachen mit großer Geste Läuterung und warteten in Ruhe ab, bis unter den Kritikern die ersten Knallchargen auftauchten, die mit oft niederen Absichten gleich das ganze System abschaffen mochten. Dann rückten alle zusammen und schrien laut auf, Hilfe, Hilfe, dies ist ein Überfall auf die Pressefreiheit! Schließlich zeigten die Kritisierten geschickt mit dem Finger auf andere, am liebsten die Landespolitik. Diese müsse den Programmauftrag anpassen, vorher gehe leider gar nichts. Nur ist diese im föderalen System von Bedeutungsverlust bedrohte Landespolitik leider selbst reformbedürftig und klammert sich - gleich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk - an Gewohnheiten und Pfründen, statt unvermeidlichen Wandel offensiv anzunehmen. In der Reformfrage blockieren sich also auch zwei lethargische Systeme gegenseitig.

Ein Wandel vollzieht sich nicht allein in Spitzenposten - aber er beginnt dort

Manches Problem lässt sich nicht schnell beheben, etwa die riesige finanzielle Belastung durch Pensionen und Altverträge. Doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte jetzt trotzdem und gerade im druckvollen Osten die Chance ergreifen, nicht ein weiteres Mal über Sachzwänge zu jammern oder jahrelang irgendwelche "Programmreformen" anzukündigen, von denen außerhalb von Gremien dann kein Mensch je etwas mitbekommt. Er könnte die Chance nutzen, seine mit zig Funkhäusern gerade im Regionalen grotesken Mehrfachstrukturen proaktiv und grundständig zu reformieren, um mehr Budget frei zu machen etwa für echte journalistische Arbeit in der Fläche und für ein Angebot, das die Gegenwart dieses Landes in allen Farben und Formen abbildet. Wie gut er das kann, beweisen schon heute etwa die Regionalmagazine und die "Mittendrin"-Rubrik in den "Tagesthemen" (wie übrigens auch nicht wenige jener Formate, die zum Jugendangebot "Funk" gehören).

Ein solcher Wandel ist mit der Besetzung von Spitzenposten nicht allein zu schaffen, aber er beginnt dort. Auch an dieser Stelle gibt es die Chance, sich nicht weiter selbst zu blockieren. In der Vergangenheit wurden auch mal Leute zu sehr gut bezahlten Direktoren, von denen man eineinhalb Jahre nach Dienstantritt vor allem wusste, dass sie gerne segeln und dass sie auch sonst ein eher touristisches Verständnis ihres Sendegebiets aufwiesen. Auch vor diesem Hintergrund wäre es angezeigt, für die Nachfolge Patricia Schlesingers an der Spitze des RBB eine geeignete Person aus dem Osten zu suchen und zu finden.

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SZ PlusAffäre um ehemalige RBB-Chefin
:Babylon Berlin

Es geht in der Affäre um die ehemalige RBB-Chefin Patricia Schlesinger um mehr als Filz und Instinktverlust. Es geht auch um die Wut der Mitarbeiter, die froh sein müssen, wenn sie neue Kopfhörer bekommen - und um den Schaden, den sich das Öffentlich-Rechtliche da gerade selbst zufügt.

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