Raumfahrt:Matthias Maurer, nächster Deutscher im All

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: dpa)

Der neue Esa-Astronaut hat 13 Jahre gewartet auf die Chance, die Erde von oben zu sehen. Am Sonntag soll sein Flug zur Raumstation ISS starten.

Von Marlene Weiß

Matthias Maurer hat viele Talente. Er ist promovierter Materialwissenschaftler, spricht neben Deutsch und Englisch auch Spanisch, Französisch, Russisch und Chinesisch, er hat als Sanitäter gearbeitet, er kann durch tiefe Höhlen klettern, er kann sich im schwedischen Winter zwei Tage draußen ohne Essen, Zelt oder Schlafsack durchschlagen. Außerdem wirkt er wie ein rundum netter Typ.

Klar, auch dafür wurde er ausgewählt. Die europäische Raumfahrtagentur Esa kann in ihrem Astronautenkorps keine neurotischen Griesgrame gebrauchen. Wenn er am Sonntag zur ISS fliegt, der internationalen Raumstation, wo er Montagfrüh deutscher Zeit ankommen soll, wird er sechs Monate lang auf engem Raum mit sechs bis zehn weiteren Astronauten aus verschiedenen Ländern und Kulturen auskommen müssen - bei nur sieben Schlafkabinen. Das ist kein Job für schwierige Menschen.

Trotzdem ist es schon bemerkenswert, wie er auch in der x-ten Pressekonferenz vor dem Start noch offen und zugewandt wirkt, wie er immer wieder strahlend in Youtube-Videos erklärt, wie das so funktioniert mit dem Astronautendasein, das für ihn noch gar nicht so richtig begonnen hat. Seine Stimme klingt dabei manchmal einen Hauch heiser; wäre das etwas stärker, man würde ihm sofort das letzte Halsbonbon aus der Packung anbieten.

Zunächst lehnte die Esa ihn ab. Also nahm er einen anderen Job dort an

Es ist ihm nicht annähernd anzusehen, aber für einen ersten Start ins All ist Maurer mit 51 Jahren schon recht alt, im aktiven Esa-Korps ist er der Älteste. Schon 2008 hatte er sich beworben, damals arbeitete er noch für eine medizintechnische Firma. Sein Chef war wenig begeistert; statt eines Empfehlungsschreibens habe er angeboten, ihn mit einem Tritt in den Hintern auf dem Mond zu befördern, erzählte Maurer später. Tatsächlich kam er dann als einer von zehn unter 8500 Kandidaten durch das Auswahlverfahren, aber es gab nur sechs Plätze, Pech gehabt. Maurer war schrecklich enttäuscht, aber fing dann trotzdem bei der Esa als Ingenieur an, Schmollen scheint nicht seine Art zu sein. 2015 wurde er nachträglich für das Astronautenteam nominiert, im September 2018 schloss er seine Grundausbildung ab. Seither wartet er auf einen Flug.

Jetzt geht es also zur ISS. Aber ob Maurer damit auf Dauer zufrieden ist? Immer wieder hat er erklärt, wie gerne er einmal zum Mond fliegen würde. Die Apollo-Astronauten seien für ihn die richtigen Helden, hat er einmal gesagt.

Er wird Experimente vornehmen und Reiseleiter sein

Doch die Raumfahrt hat sich verändert seit deren Zeiten. Statt wie Neil Armstrong mit jedem Schritt Geschichte zu schreiben, wird Maurer auf der alternden ISS die üblichen mühseligen Experimente machen. Es heißt zwar immer, dass diese der Menschheit nutzen sollen, aber tatsächlich dienen viele eher dem Selbstzweck, also der Vorbereitung weiterer bemannter Flüge: Oft geht es etwa darum, wie sich Organismen in Schwerelosigkeit verhalten. Auf der Erde kann man damit nicht viel anfangen.

Auch die Kommerzialisierung und Privatisierung der Raumfahrt wird Maurers Tour prägen, und das nicht nur, weil er auf dem Flug zur ISS in einer recht komfortablen Dragon-Kapsel der Firma Space-X sitzen wird und einen dieser schicken weißen Maßanzüge mit Helm aus dem 3-D-Drucker tragen darf, die man für Luftzufuhr und Kommunikation mit einer Art Nabelschnur an den Sitz stöpseln kann. Erstmals wird er sich auch in größerem Umfang mit Weltraum-Touristen befassen müssen. Fünf Nicht-Astronauten sollen während seines Aufenthalts die ISS besuchen. Könnte also sein, dass Maurer nebenbei auch als Fremdenführer tätig werden muss.

Aber ob ihm das Spaß macht oder nicht, man kann unterstellen, dass er das Nötige mit steter Freundlichkeit erledigen wird. Und wenn er mal Zeit hat, wird er wohl wie viele seiner Kollegen in die ISS-Aussichtskuppel schweben, auf die Erde schauen, vielleicht nach seinem Geburtsort St. Wendel im Saarland suchen und über die Tatsache staunen, dass er es doch noch so weit weg geschafft hat.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRaumfahrt
:Chinas erste eigene Raumstation

Erstmals sollen Astronauten zur CSS, der China Space Station, aufbrechen. Wenn alles klappt wie geplant, kann die chinesische Führung ihre Macht im Weltraum weiter ausbauen.

Von Alexander Stirn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: