Süddeutsche Zeitung

Profil:Ralf Wintergerst

Banknotendrucker, der auch umstrittene Geschäfte macht.

Von Caspar Busse

Einstecken ist Ralf Wintergerst immerhin gewohnt, schon seit seiner Jugend. Der inzwischen 59-Jährige - hochgewachsen, graue kurze Haare, sportliche Figur, verbindliches Auftreten - war früher mal ein ziemlich erfolgreicher Karatekämpfer. Er wurde mehrmals Deutscher Meister und 1990 sogar Europameister. Diese Art Kampfsport habe dazu geführt, "eine gewisse Festigkeit zu erlangen", sagte Wintergerst mal vor zwei Jahren. Seit 1998 schon arbeitet Wintergerst für die Münchner Traditionsfirma Giesecke+Devrient (G+D), seit 2016 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung. Eine "gewisse Festigkeit" kann er dabei gut gebrauchen.

Denn immer wieder steht das Sicherheitsunternehmen, unter anderem einer der weltweit größten Hersteller von Banknoten, wegen einiger Geschäfte in der Kritik, für die dann der Unternehmenschef die Verantwortung trägt. Aktueller Fall: G+D hat für das autokratische Regime in Aserbaidschan eine Banknote ausgeliefert, die den blutigen Krieg mit Armenien verherrlicht. Auf dem Geldschein im Wert von 500 Manat (aktuell 250 Euro) sind Soldaten zu sehen, die auf einem Hügel in Bergkarabach stehen und eine Flagge hissen - Propaganda also, an der auch G+D verdient. Offenbar hat es dazu im Unternehmen Diskussionen gegeben, der im Volumen relativ kleine Auftrag wurde trotzdem angenommen.

Wintergerst selbst und das Unternehmen äußern sich nicht im Detail, nur so viel: Man unterhalte "ausschließlich Geschäftsbeziehungen mit Zentralbanken, die dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank angehören und gegen die es keine laufenden Sanktionen gibt". Man wolle die Kunden "nicht politisch beurteilen", sagte vor Jahren Wintergersts Vorgänger Walter Schlebusch und fügte an: "Für Nordkorea würden wir nicht drucken." Trotzdem gibt es immer wieder höchst umstrittene Fälle, bei denen Geschäft vor Moral kommt. So stellte G+D Banknoten für Simbabwe her, unter der Gewaltherrschaft des Diktators Robert Mugabe. Für Myanmar arbeiteten die Münchner noch, nachdem sich das Militär an die Macht geputscht hatte und Demonstranten erschießen ließ. Im April dieses Jahres immerhin ließ Wintergerst nach öffentlichem Druck diese Zusammenarbeit stoppen.

Die Geschichte von G+D geht bis ins Jahr 1852 zurück, damals gründeten in Leipzig Hermann Giesecke und Alphonse Devrient eine Druckerei. 1922 wurden erstmals Geldscheine für die Reichsbank hergestellt, 1936 produzierte die Firma alle Eintrittskarten für die Olympischen Spiele in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte G+D nach München um - und wuchs kräftig. Zuletzt lag der Umsatz bei 2,3 Milliarden Euro mit 11 500 Mitarbeitern. Eigentümerin ist Verena von Mitschke-Collande, die Tochter des früheren Firmenpatriarchen Siegfried Otto, zusammen mit ihren vier Kindern. Die Familie gehört zu den reichsten in Deutschland, und zu den verschwiegensten.

Diskretion lautet schon immer das Firmenmotto. G+D ist inzwischen in vielen anderen sicherheitsrelevanten Bereichen tätig, stellt Personalausweise, Reisepässe und Chip- und SIM-Karten her, bietet digitale Sicherheitskonzepte an. Weltweit führend sind die Münchner aber immer noch im ehemaligen Kerngeschäft Banknotendruck, bei der Herstellung von Banknotenpapier und bei Banknoten-Bearbeitungsmaschinen, auch wenn der Bedarf an Bargeld in der Pandemie überall zurückgeht. Gedruckt werden bis zu hundert unterschiedliche Währungen weltweit, bis zu fünf Milliarden Banknoten pro Jahr. Wintergerst selbst führte diesen Bereich, bevor er zum Konzernchef aufstieg.

Der Betriebswirt hat in den vergangenen fünf Jahren einen neuen Stil eingeführt, das traditionell verschwiegene Unternehmen etwas geöffnet, eine neue, offenere Konzernzentrale ist gerade im Bau und soll Ausdruck davon sein. Negative Schlagzeilen, wie jetzt mit Aserbaidschan, sind da hinderlich. Wintergerst weiß aber auch: "Im Karate kämpft man alleine, im Job aber immer zusammen."

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