Völkerstrafrecht:Putin, der Kriegsverbrecher

Russlands Präsident könnte wohl ohne Problem wegen schwerer Verbrechen angeklagt werden. Wer eigentlich kann mit diesem Mann einen Frieden aushandeln?

Kommentar von Stefan Kornelius

Im Bemühen, die Gräuel des Krieges einzuhegen und mit der Kraft des Rechts möglicherweise ganz zu verhindern, hat das Völkerstrafrecht die Kriegsverbrechen definiert. Das scheint eine widersprüchliche Idee zu sein, denn Krieg zeichnet sich ja gerade durch seinen entfesselten und unrechten Charakter aus. Aber nach zwei Weltkriegen und dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen war die Welt klüger geworden. Sie ist es nicht geblieben.

In der Ukraine sind alle Tatbestände von Kriegsverbrechen zu beobachten. Die Zivilbevölkerung und zivile Objekte werden vorsätzlich angegriffen, großes Leid wird vorsätzlich verursacht, die Zerstörung erscheint willkürlich, selbst Geiselnahmen, wie nun glaubwürdig aus dem Krankenhaus von Mariupol berichtet, scheinen zum Repertoire der russischen Soldateska zu gehören. All dies addiert sich zum Straftatbestand der Aggression, der nach dem Völkerstrafrecht ebenfalls geahndet wird und in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fällt - der allerdings wird von einigen Staaten nicht anerkannt: darunter Russland und die USA.

Wenn also der amerikanische Präsident Joe Biden den russischen Präsidenten einen Kriegsverbrecher nennt, dann muss man ihm völkerrechtlich zustimmen - und gleichzeitig zynisch mit den Achseln zucken. Nach diesen Kategorien hat sich Putin der Welt spätestens in Syrien als Kriegsverbrecher empfohlen. Biden hat ihm dennoch zuletzt in Genf die Hand geschüttelt. Wer sollte Putin also zur Rechenschaft ziehen, wenn selbst die USA das völkerrechtliche Instrument stumpf lassen? Dieses Dilemma der internationalen Politik ist nicht neu, es hat jetzt nur eine gewaltige Dimension erreicht. Putins schwere Verbrechen haben ihn politisch unberührbar gemacht. Biden hat diese Isolation mit der Bezeichnung Kriegsverbrecher verstärkt. Die Frage ist, ob er das im vollen Bewusstsein der Konsequenzen tat.

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