Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Prügelknabe

Was niemand sein will - weder in Berlin an Silvester noch früher am Fürstenhof.

Von Johanna Pfund

Eines steht mit Sicherheit fest: Es gibt Angenehmeres im Leben, als für Taten geradezustehen, die andere begangen haben, gleich, ob man dies im übertragenen oder im direkten Sinne tun muss. So ergeht es derzeit all den Polizistinnen und Polizisten, welche die unschöne Aufgabe haben, diejenigen, die etwa an Silvester in Berlin randalieren, im Zaum zu halten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte daher, Polizisten, Feuerwehrleute, Sanitäter seien keine Prügelknaben. Zu Recht, denn die Sicherheitskräfte sind nicht verantwortlich für welche auch immer kritisierten Zustände. Das Konzept des Prügelknaben soll aus der Frühen Neuzeit stammen: Burschen, meist von niederem Adel, sollten die Schläge auf sich nehmen, die eigentlich den Prinzen und höhergestellten Adligen aus erzieherischen Gründen zugedacht waren, welche jedoch aufgrund ihrer gottgegebenen Stellung nicht direkt bestraft werden durften. Im England des 16. und 17. Jahrhunderts finden sich Hinweise auf diese Praxis etwa in Samuel Rowleys Stück über Heinrich VIII. Auch in einem Traktat über "die Sitten und das betragen der Tübinger Studirenden während des 16. Jahrhunderts" ist die Rede davon, dass im Jahr 1574 "Präceptoren" als Prügeljungen der Grafen und Herren dienten. Ob wahr oder nur Legende, schön ist die Sache nicht.

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