Profil:Rolf Mützenich

Rolf Mützenich bei der Verleihung des Hans-Böckler-Preis 2021 in den Balloni Hallen in Köln Ehrenfeld. Köln, 26.08.2021

Leise und überaus beharrlich: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.

(Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Erster Kandidat für das Amt des Bundestagspräsidenten.

Von Nico Fried

Es erscheint ein wenig ungerecht, dass ausgerechnet Rolf Mützenichs mögliche Wahl zum Bundestagspräsidenten jetzt Anlass für eine Diskussion über die Benachteiligung von Frauen in der SPD gegeben hat. Denn es ist noch gar nicht lange her, dass der bisherige Fraktionschef der SPD gegen geballten männlichen Widerstand einer Frau zu einem bedeutenden Posten verhalf.

Im Mai 2020 entzog Mützenich nicht nur dem damaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels die Unterstützung, er versagte sie auch dem an der Nachfolge sehr interessierten und einflussreichen Abgeordneten Johannes Kahrs. Stattdessen organisierte der stets überaus sanft wirkende Mann mit der leisen Stimme in bemerkenswerter Härte eine Mehrheit für die gelernte Rechtspolitikerin Eva Högl als neue Wehrbeauftragte.

Rolf Mützenich, 62, ist einerseits eine atypische Erscheinung im Politikbetrieb. Was seine persönliche Karriere anging, war der sonst in dieser Branche äußerst seltene Selbstzweifel lange Zeit sein treuer Begleiter: Soll ich diesen oder jenen Posten wirklich anstreben? Kann ich das? Wenn er dann aber wieder mal ein neues Amt hatte, präsentierte er sich andererseits nicht nur fachlich kompetent, sondern auch streitbar und beharrlich.

Ein linker Sozialdemokrat und pragmatischer Pazifist

2002 zog Mützenich, der aus einer fest in der SPD verwurzelten Kölner Familie stammt, erstmals in den Bundestag ein. Eine gewisse Fähigkeit zum Ausgleich hatte er in seiner Jugend schon dadurch bewiesen, dass er sich sowohl bei den Falken wie auch den Jungsozialisten (Jusos) engagierte, die - vorsichtig formuliert - traditionell in einem Konkurrenzverhältnis standen und deren Unterscheidbarkeit der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel einmal so beschrieb: Anders als bei den Jusos habe man bei den Falken nicht nur Karl Marx gelesen, sondern auch Zeit gehabt, sich im Zeltlager nach einer Freundin umzuschauen.

Mützenich, verheiratet und Vater von zwei Kindern, profilierte sich in der Außen- und Sicherheitspolitik, ein pragmatischer Pazifist, vor allem in Rüstungsfragen oft skeptisch, aber unideologisch. Weil er immer in der Sache argumentierte und ihm niemand persönliche Profilierung unterstellte, gehörte er in rot-grünen Zeiten zu den wenigen, die Kanzler Gerhard Schröder widersprechen konnten, ohne sich böse Blicke oder mehr einzufangen. In der ersten großen Koalition Angela Merkels rief Fraktionschef Peter Struck - obwohl früher selbst Verteidigungsminister - bei schwierigen Fragen gerne: "Mütze, erklär uns das mal!"

Die SPD-Frauen konnten sich bisher auf keine Kandidatin verständigen

Mützenich ist ein linker Sozialdemokrat, aber auch bei Vertretern anderer Strömungen geschätzt. Nach dem Abschied der Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles wurde er zunächst als dienstältester Stellvertreter kommissarisch Fraktionschef. Binnen kürzester Zeit erwarb er sich die Sympathien der Abgeordneten, wurde offiziell in das Amt gewählt - und erst vor wenigen Tagen bestätigt. In der großen Koalition zeigte er sich als Verhandler kompromissbereit, als Redner aber gerne pointiert sozialdemokratisch.

Nun gilt Mützenich als erster Kandidat für das Amt des Bundestagspräsidenten, und niemand spricht ihm die Eignung ab. Allerdings ist die SPD unter Druck geraten, weil sie nur Männer für höchste Staatsämter auf dem Zettel hat, neben Mützenich noch Olaf Scholz als Kanzler sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Außerdem ist für Mützenichs Nachfolge im Fraktionsvorsitz mit Matthias Miersch ein weiterer Mann im Gespräch.

Wie es aussieht, bleibt Mützenich Kandidat. Auch weil es die Frauen in der SPD-Fraktion bisher anscheinend nicht geschafft haben, sich auf eine Kandidatin zu verständigen und diese auch noch gegen Mützenich ins Rennen zu schicken. Für einen Stellvertreterposten soll dann aber ganz bestimmt eine Frau nominiert werden.

Zur SZ-Startseite
SPD, Greens And FDP To Conclude Exploratory Talks, Possibly Announce Coalition Intent

SZ PlusMeinungAmpelkoalition
:Die wundersame Verwandlung des Olaf Scholz

Der SPD-Kandidat galt bislang als emotionslos und kontrollwütig. Nun wirkt er ganz anders - und könnte ein starker Kanzler werden.

Jetzt entdecken

Gutscheine: