Profil:Nasrin Sotudeh

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Inhaftierte Menschenrechtsanwältin, die sich treu bleibt.

Von Paul-Anton Krüger

Nasrin Sotudeh ist Menschenrechtsanwältin in Iran. Und in dieser Funktion reicht die Ausübung des eigenen Berufes und das Einfordern von Rechten, die in der Islamischen Republik verbrieft sind, um vom Justizapparat aus politischen Gründen kriminalisiert zu werden. Sotudeh, die 1963 in Teheran geboren wurde und an der Schahid-Beheschti-Universität Jura studierte, hat Frauen verteidigt, die gegen den Kopftuchzwang verstoßen haben. Sie hat Fälle angenommen von Menschen, die nach den Massenprotesten der Grünen Revolution 2009 verfolgt wurden, sie vertrat Journalisten und Intellektuelle vor Gericht.

Sie setzt sich gegen die Todesstrafe ein und protestierte dagegen, dass die Justiz, die nicht unabhängig ist, sondern dem Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei untersteht, in politischen Prozessen nur noch wenige linientreue Anwälte als Rechtsbeistand zulässt und so Verfolgten ihre Verteidigungsrechte weiter beschneiden will. Auch forderte sie ein von den Vereinten Nationen überwachtes Referendum über eine Änderung der Verfassung, was nach iranischem Recht möglich ist. Allerdings nach Ansicht des Regimes nicht, um wie von Sotudeh gefordert über eine Abkehr vom System der Islamischen Republik abzustimmen, in dem der schiitische Klerus als oberste Machtinstanz festgeschrieben ist.

Die Justiz hat sie mit Verfahren überzogen. Im Jahr 2010 wurde sie zum ersten Mal verurteilt. Im Sommer 2018 wurde sie verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis im Norden von Teheran gebracht, wo politische Häftlinge unter härtesten Bedingungen eingesperrt sind. Laut ihrem Mann Reza Khandan kam im März 2019 ein weiteres Verdikt mit 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben dazu. Ein Revolutionsgericht in Teheran sprach sie schuldig wegen Verschwörung gegen die nationale Sicherheit, Propaganda gegen den Staat, Förderung moralischer Korruption und der Veröffentlichung falscher Nachrichten - vage Tatbestände, die in keinem Rechtsstaat existieren. Nach iranischem Recht muss sie mindestens zwölf Jahre von der Gesamtstrafe verbüßen.

Im Sommer trat Sotudeh in den Hungerstreik

Im August trat Sotudeh in den Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren, magerte von ohnehin nur noch 53 Kilogramm Körpergewicht weiter ab. Mitte September musste sie ihn abbrechen, weil sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechterte. Sie kam mit schweren Herzproblemen in ein Krankenhaus - und vier Tage später zurück in Haft. Ihre Besuchsrechte wurden eingeschränkt, alle Gespräche mit ihrem Mann oder den Kindern, Tochter Mehraveh Khandan, 21, und Sohn Nima, 13, hörten die Aufseher mit. Jeglicher Körperkontakt verbot die Gefängnisleitung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie.

Dennoch steckte sie sich im Gefängnis an, wie sich im November erwies, als sie zu einem Hafturlaub aus medizinischen Gründen freikam. In einer Audiobotschaft, mit der sie sich für ihre Ehrung mit dem Alternativen Nobelpreis am Donnerstagabend bedankte, führte sie ihre zeitweise Freilassung noch auf die "tiefe Solidarität und Freundschaft" zurück, die ihr mit der Auszeichnung zuteilgeworden sei. Am Tag vor der Verleihung allerdings erreichte sie die Nachricht, dass sie entgegen der Empfehlung ihrer Ärzte wieder in Haft muss, diesmal ins noch übler beleumundete Frauengefängnis Qarchak.

Als man sie noch treffen konnte, sprach Sotudeh mit leiser Stimme und gesenkten Augen immer nur über das Unrecht, das ihre Mandanten erlitten, nie über sich. Sie bleibt sich treu. In der kurzen Botschaft, in der sie ihre neuerliche Inhaftierung bekannt gab, bedauerte sie zwar, dass sie wegen ihrer Corona-Infektion in den drei Wochen Hafturlaub ihre Kinder nicht umarmen konnte. Vor allem aber fordert sie die Freilassung von Ahmad Reza Jalali. Der schwedisch-iranische Doppelstaatler, ein Arzt, ist wegen Spionagevorwürfen von der Hinrichtung bedroht.

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