Profil:Kenias Botschafter und Afrikas Botschaft an Russland

Profil: Sich der Zukunft zuwenden, statt auf die Vergangenheit zu starren: Diese eindrückliche Mahnung schickte Martin Kimani im UN-Sicherheitsrat in Richtung Ukraine.

Sich der Zukunft zuwenden, statt auf die Vergangenheit zu starren: Diese eindrückliche Mahnung schickte Martin Kimani im UN-Sicherheitsrat in Richtung Ukraine.

(Foto: Mark J. Sullivan via www.imago-images.de/imago images/ZUMA Wire)

Wie Martin Kimani mit einer Fünf-Minuten-Rede im UN-Sicherheitsrat alle Welt beeindruckt hat.

Von Bernd Dörries

Diplomat werden wollte Martin Kimani lange Zeit nicht, was vielleicht ein Grund ist, warum der Ständige Vertreter Kenias bei den Vereinten Nationen am Dienstag im Sicherheitsrat eine Rede hielt, die sich doch sehr von den oft floskelhaften Beiträgen unterschied, die dort sonst zu hören sind - im Inhalt, aber auch dadurch, dass sich ein Afrikaner zum Russland-Ukraine-Konflikt äußerte. Einem Thema, zu dem sonst meist nur Amerikaner und Europäer wirklich gehört werden. Kimani redete davon, dass das, was in der Ukraine geschieht, auch von anderen Nationen schon ähnlich erlebt wurde, dass viele Afrikaner aus eigenem Erinnern eine Meinung hätten zu dem, was in Osteuropa passiert. Es ist ein unangenehmes Wiedersehen mit dem Kolonialismus, dem Recht des Stärkeren und einer gefährlichen Nostalgie nach dem Imperium.

Im Netz wurde seine Rede viele Hunderttausend Mal geklickt und vielfach kommentiert, in vielen Zeitungen komplett abgedruckt und übersetzt. Fünf Minuten hat Kimani nur gesprochen, und dabei einen bleibenderen Eindruck hinterlassen als die Vertreter Russlands, der USA und vieler anderer Länder, die viel größer und einflussreicher sind als Kenia.

Kimani, 50, schlug einen Bogen vom Umgang Afrikas mit seinem kolonialen Erbe, dem Zusammenbruch der großen westlichen Kolonialimperien zur heutigen Situation in der Ukraine und der russischen Außenpolitik. Afrika habe die Grenzen der Kolonialherren geerbt, nicht seine eigenen gezogen. "Hätten wir bei der Unabhängigkeit entschieden, Staaten auf der Grundlage ethnischer, rassischer oder religiöser Homogenität zu gründen, würden wir viele Jahrzehnte später immer noch blutige Kriege führen. (...) Wir glauben, dass alle Staaten, die aus zusammengebrochenen und zurückgewichenen Imperien entstehen, viele Völker in sich tragen, die sich nach Integration mit Völkern in Nachbarstaaten sehnen. Das ist normal und verständlich. Denn wer will nicht mit seinen Brüdern vereint werden und mit ihnen gemeinsame Ziele verwirklichen? Doch Kenia lehnt es ab, eine solche Sehnsucht mit Gewalt zu verfolgen. Wir müssen unsere Heilung von der Asche toter Empires in einer Weise abschließen, die uns nicht in neue Formen von Herrschaft und Unterdrückung zurückwirft."

Kimani weiß, wovon er spricht, er hat am King's College in London in Kriegsstudien promoviert. Und ist dann erst einmal zu einer Bank gegangen in den Wertpapierhandel. Später kehrte er nach Kenia zurück, wurde Vertreter des Landes beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen, das seinen Hauptsitz in Nairobi hat, anschließend ernannte ihn die Regierung zum Chef des nationalen Antiterrorzentrums. Das sind letztlich auch seine Themen bei den Vereinten Nationen in New York, wo er seit 2020 Kenias Vertreter ist, seit Februar 2021 ist das Land für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat.

Kimani versucht dort, die Perspektive der Länder einzubringen, die von vielen Entscheidungen betroffen sind. Der Sicherheitsrat rede viel über atomare Abrüstung, aber wenig über das Problem der Kleinwaffen. Diese wiederum werden von Firmen vieler Mitgliedsländer produziert und überschwemmen die Konfliktregionen in Afrika. Er lud Vertreter des Rates zu einer Reise nach Mali ein, wo Terror, Islamismus, Klimawandel und gescheiterte Strukturen zu einer Dauerkrise geführt haben. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich bereitet ihren Rückzug vor, und auch Deutschland wird wohl bald folgen. Die Russen haben bereits Hunderte Söldner zur Unterstützung der Militärdiktatur geschickt, so wie Putin auch die Regimes in der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan unterstützt. Es wirkt manchmal so, als gingen auch hier das Blockdenken und der Kalte Krieg einfach wieder von vorne los. Die Charta der Vereinten Nationen welke unter dem "unnachgiebigen Angriff der Mächtigen", sagte Kimani in New York.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: