Süddeutsche Zeitung

Israel:Khaled Kabub ist der erste Muslim am Obersten Gericht

Der Jurist gilt als kritisch, streitbar und kenntnisreich.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es muss ihm eine Genugtuung gewesen sein, doch nichts davon hat er nach draußen dringen lassen. Als Khaled Kabub zu Wochenbeginn im Garten der Jerusalemer Residenz des israelischen Staatspräsidenten als einer von landesweit insgesamt 81 neuen Richtern vereidigt wurde, da genoss er die Zeremonie und ging anschließend an die Arbeit. Dabei ist der 64-Jährige nun nicht mehr irgendein Richter, sondern einer von 15 Richtern des Obersten Gerichtshofs. Und in diesem Gremium ist er auch nicht irgendeiner: Khaled Kabub ist der erste Muslim, der dauerhaft an die höchste Gerichtsinstanz des jüdischen Staats berufen wurde.

Vertreter der arabischen Minderheit, die ungefähr 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen, hat es zwar schon zuvor am Obersten Gerichtshof gegeben. Seit 2003 ist sogar ein Sitz für sie reserviert. Doch bislang waren sie immer Christen. Kabub also ist ein Pionier - und in die Wiege gelegt worden war ihm das eher nicht.

Aufgewachsen ist er in Jaffa, der arabischen Schwesterstadt von Tel Aviv. Vater Busfahrer, Mutter Hausfrau - und der Sohn schaffte es zum Studium. Auf Geschichte und Islam fiel zunächst seine Wahl. Erst danach kam er zur Juristerei. Doch das scheint ihm so im Blut zu liegen, dass er es weitergegeben hat: Alle seine sechs Kinder sind Juristen geworden.

In seiner langen Richterkarriere amtierte er zuletzt als Vizepräsident des Bezirksgerichts in Tel Aviv. Dort war er zuständig für Wirtschaftskriminalität und hat einige durchaus prominente Angeklagte hinter Gitter gebracht. Kurze Aufmerksamkeit hat er zudem vor einigen Jahren erregt mit einer scharfen Kritik am Zustand der israelischen Wirtschaft. Die werde kontrolliert "von einer Handvoll Gesellschaften", und die dahinter stehenden Familien würden zugleich die Politik kontrollieren.

Das klingt fast aufrührerisch, ansonsten jedoch ist er den Beobachtern seiner Prozesse vor allem durch anderes aufgefallen: durch Sachlichkeit und Sachkenntnis. Dieser Ruf brachte ihn 2017 schon einmal auf die Auswahlliste für den Obersten Gerichtshof. Nach einigen Monaten jedoch zog er die Kandidatur zurück, weil er sich chancenlos wähnte. In einem bitteren Brief, so berichtet es die Zeitung Haaretz, habe er dies auf seine Herkunft bezogen. Demnach hat er sich sogar ganz aus dem Justizwesen zurückziehen wollen, wurde aber von der bis heute amtierenden Präsidentin des Obersten Gerichts zum Bleiben überredet - und zum zweiten Anlauf.

Nun hat es geklappt mit der Berufung. Doch Widerstände gab es auch diesmal. Mitten im Auswahlprozess wurde lanciert, Kabub habe sich einmal mit radikalen arabisch-israelischen Aktivisten getroffen. Rechte Medien warfen ihm eine "nationalistische Ideologie" vor und warnten, mit seiner Ernennung würde der "Extremismus" Einzug halten in den Obersten Gerichtshof.

Khaled Kabub war damit mitten hineingeraten in jene hochpolitischen Kämpfe, die stets ausgefochten werden, wenn es um neue Mitglieder für den Obersten Gerichtshof geht. Denn der ist nicht nur die letzte Instanz für Straf- und Zivilverfahren. Der Gerichtshof entscheidet auch über die Verfassungskonformität von Gesetzen und Regierungsentscheidungen, nicht zuletzt auch in Fragen des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Zwei rechte Vertreter im neunköpfigen Auswahlkomitee, darunter die Innenministerin Ajelet Schaked, haben ihm bei der Abstimmung die Unterstützung versagt. Sieben Stimmen waren nötig zur Berufung, die anderen haben alle zugestimmt. Auch Justizminister Gideon Saar, der zum rechten Block in der Regierung zählt, hat Khaled Kabub die Stange gehalten. Die Richter am Obersten Gerichtshof sollten "das Mosaik der Gesellschaft widerspiegeln", argumentierte er. Die Auswahlkriterien seien "Exzellenz, Ausgewogenheit und Vielfalt".

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