Profil:Whoopi Goldberg

Profil: Whoopi Goldberg, hier 2014, wie immer mit Brille auf der Nase

Whoopi Goldberg, hier 2014, wie immer mit Brille auf der Nase

(Foto: John Barrett/PHOTOlink /MediaPunch/John Barrett/PHOTOlink /MediaPun)

Wandelnde One-Woman-Show, nun von ihrem Sender zu zwei Wochen Nachdenken verdonnert.

Von Meredith Haaf

Wer in den letzten Jahrzehnten Popkultur US-amerikanischer Herkunft konsumiert hat, dürfte jeweils mindestens einen Whoopi-Goldberg-Moment haben: die singende, tanzende Pseudo-Nonne. Die Barkeeperin auf dem Raumschiff Enterprise. Die Menge der Oscars und Emmys, mit denen sie ausgezeichnet worden ist, reicht für zwei Leben. Schon lange aber hat sie vor allem eine bestimmte Rolle in der Öffentlichkeit: Eigentlich spielt sie vor allem Whoopi Goldberg, exzentrisch, lautstark, immer auf der Seite der Schwachen. Bis auf Weiteres ist sie damit in dieser Woche an eine Grenze gestoßen.

Am Montag erklärte Goldberg, 66, in ihrer täglichen Talk-Show "The View" vor laufender Kamera: "Lasst uns ehrlich darüber reden. Beim Holocaust geht es nicht um Rasse. Es geht um die menschliche Unmenschlichkeit. Das sind zwei weiße Gruppen. (...) Das Problem ist doch, was Menschen einander antun. (...) Alle fressen sich gegenseitig." Nach öffentlichem Protest und harter Kritik von jüdischen Verbänden relativierte sie zunächst ihre Aussage: "Für mich als Schwarze ist Rasse etwas, das man sehen kann." Tags darauf entschuldigte sie sich für den Irrtum und die Verletzungen, die sie verursacht habe. Nun gab ihr Sender ABC News bekannt, dass Goldberg für zwei Wochen von der Sendung suspendiert sei, um sich mit den Folgen ihrer Äußerungen zu beschäftigen.

Seit 1997 diskutieren bei "The View" täglich am späten Vormitttag fünf meinungsfreudige, prominente, junge und alte Frauen aktuelle Themen. Als Goldberg 2007 einstieg, folgte sie der umstrittenen und oftmals extrem aggressiven Komödiantin Rosie O'Donnell. Die New York Times beschied, Goldberg verspreche "Ruhe und Zivilität" in die oft aufgeheizten Runden zu bringen. Für ihre Zurückhaltung war Goldberg allerdings schon damals nicht bekannt.

Goldberg bedauert ihre Äußerung merklich, aber sie kommt zu einer gefährlichen Zeit

1955 kam sie als Caryn Elaine Johnson in Manhattan zur Welt und wuchs dort in einfachen, aber sicheren Verhältnissen auf. Caryn besuchte eine katholische Schule und nahm Schauspielunterricht bei einer Non-Profit-Organisation für Darstellende Kunst. 1983 sah der Regisseur Mike Nichols ihr Solo-Stück "The Spook Show" und holte sie damit auf den Broadway. Von dort besetzte Steven Spielberg sie in seinem vielfach oscarnominierten Rassismus-Drama "Die Farbe Lila" als tragische Figur Celia, neben Oprah Winfrey spielte sie. In dieser Zeit legte sich Johnson ihren Künstlernamen zu. Der Vorname leitet sich vom amerikanischen Furzkissen "Whoopee Cushion" ab, weil Blähungen ein Thema sind, über das sie schon damals mit Vorliebe sprach; der Nachname sollte ihre Verbundenheit mit dem Judentum ausdrücken. Viele Jahre lang behauptete Goldberg "im Herzen" Jüdin zu sein.

Zeitweise gehörte sie zu den meistbeschäftigten Darstellerinnen in Hollywood. Mit "Ghost - Nachricht von Sam" erreichte sie Weltberühmtheit, im Nonnen-Musical "Sister Act" wurde sie durch ihre komische und musikalische Begabung zur Ikone. Zunehmend begann sie sich auch öffentlichkeitswirksam sozial, für Feminismus, Aids-Aufklärung und gegen Rassismus zu engagieren.

"The View" sei für sie vor allem ein Job, in dem sie die Rolle einer Whoopi spiele, die diskutiert, sagte sie einmal in einem Interview. Das Laute, Kompromisslose gehört zur Aufgabenbeschreibung. Ihre eigenartige Holocaust-Interpretation scheint Goldberg aufrichtig zu bedauern. Doch sie kommt zu einer Zeit, in der die Gefahren der Holocaust-Relativierung mehr als auffällig sind. Erst kürzlich kam es zu einer antisemitischen Geiselnahme in Texas; weltweit nehmen judenfeindliche Verbrechen zu. Goldbergs Fall zeigt aber auch, dass große Medienunternehmen inzwischen lernen, mit kontroversen bis dämlichen Äußerungen ihrer Stars umzugehen, ohne in "Cancel Culture"-Muster zu verfallen: Statt Goldberg etwa zu entlassen, wurden ihr zwei Wochen Auseinandersetzung mit dem Thema angeordnet - und damit eine Chance, ihren Job danach besser zu machen.

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