Profil:Fin Bartels

Alles kommt zu dem, der warten kann: Mit 33 Jahren und schon ergraut, wird der Fußballprofi im Spiel gegen den FC Bayern zum Helden seiner Heimatstadt Kiel.

Von Peter Burghardt

Die Haare wechseln bei den einen Männern früher und bei den anderen später die Farbe. Im ARD-Studio stand am Mittwochabend der zeitig ergraute Weltmeister Bastian Schweinsteiger. Der weise Bayer befindet sich im 37. Lebensjahr und hat als ehemaliger Fußballspieler eigentlich alles erlebt, aber auch er und Millionen Zuschauer staunten nun über einen noch etwas jüngeren und schon leicht grau melierten Mann. Er heißt Fin Bartels und hatte soeben mit dem Zweitligisten Holstein Kiel den weltberühmten FC Bayern München aus dem DFB-Pokal geschossen, zweimal mit dem rechten Fuß.

Stürmer Bartels ist 33 Jahre alt, im Februar werden es 34. Für einen Leistungssportler ist das ein Alter, das als reif bezeichnet werden darf. Er hatte in seinem Leben schon oft gegen die Bayern gespielt, zwölfmal, in den Trikots von Hansa Rostock, dem FC St. Pauli und Werder Bremen. Auch in Zeiten, als dort noch Bastian Schweinsteiger am Ball war. Zwölfmal verlor Fin Bartels, manchmal krachend, mit Werder mal binnen weniger Monate 0:6 und 0:4. Im 13. Versuch hat es geklappt.

Es war ein Höhepunkt einer Karriere, die sich dem Ende entgegen neigt. Sonst wäre dieser ausnehmend begabte Linksaußen vor dieser Corona-Saison kaum in die zweite Liga gewechselt, zurück nach Hause. Fin Bartels wurde 1987 in Kiel geboren, sein Großvater Kurt Bartels war mit dem THW Kiel in den Fünfziger- und Sechzigerjahren dreimal deutscher Handballmeister. Kiel ist ja traditionell eine Handball-Stadt und Schleswig-Holstein eine Handball-Region; Holstein Kiel hat es seit Einführung der Fußball-Bundesliga nie in Liga eins geschafft.

Die nördlichste Stadt der Fußball-Bundesliga war Rostock, dorthin wechselte das Kieler Talent 2007, nachdem Holstein in die vierte Liga abgestürzt war. Bartels schoss sein erstes Tor in der Bundesliga 2008 formvollendet mit einem Fallrückzieher und wurde in die U-21-Nationalelf berufen. 29 Spielminuten gegen Dänemark, sein einziges Länderspiel. Er stieg mit Hansa Rostock in die zweite und die dritte Liga ab und zog 2010 weiter zum FC St. Pauli nach Hamburg, der dann 2011 aus der Bundesliga verschwand, unter anderem mit einer 1:8-Niederlage gegen den FC Bayern.

Er gilt als Mann mit zwei Gesichtern

Der FC St. Pauli ist sportlich so mittel erfolgreich, aber er ist Kult. "Kein Fußball den Faschisten", steht auf der Tribüne, das Logo ist ein Totenkopf. Bei einem Ausflug nach Mallorca trugen die St.-Pauli-Profis T-Shirts mit Tarnnamen, bei Bartels stand "Two Faces" drauf. Er sei privat und abseits des Platzes zurückhaltend, auf dem Feld sei das anders, erläuterte der Träger. "Deswegen kann man sagen, dass ich zwei Gesichter habe." Er könne auch "Spaßmacher sein", wenn er sich wohlfühle. Bartels berichtete außerdem, wieso er anders als der Opa kein Handballer geworden sei: Für Handball habe er "zu kleine Hände".

Mit den Füßen setzte er sich dann bei Werder Bremen durch, ehe Ende 2017 die Achillessehne riss. Der Marktwert, vor der Verletzung auf 3,75 Millionen Euro geschätzt, fiel auf 600 000 Euro. 2020 folgte die ablösefreie Heimkehr nach Kiel, und nun also das. Der Coup gegen die Bayern. Erst besorgte Fin Bartels das 1:1. Beim Elfmeterschießen stand er zunächst fröhlich zwischen den Mitspielern, dann brachte er seinen Schuss im Netz unter. 6:5 und die Entscheidung.

"Ihn zu sehen, war für mich immer ein Genuss", hatte Bayern-Trainer Hansi Flick schon vor dem Spiel gesagt, aber wohl nicht mit dieser Art des Genusses gerechnet. Am Tag nach seinem großen Sieg gegen die Bayern erhielt Bartels noch gute Nachrichten von der "Sportschau": Die Zuschauer kürten seinen Seitfallrückzieher kürzlich gegen den 1. FC Nürnberg zum "Tor des Monats". Es war die erste Auszeichnung dieser Art für ihn, gleich nach dem ersten Sieg gegen die Bayern. Alles kommt zu dem, der warten kann.

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