Profil:Der Anwalt, der Rassismusopfern hilft

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(Foto: Privat)

Blaise Francis El Mourabit hat schon VW-Manager verteidigt. Doch nach Feierabend widmet der Anwalt sich einer anderen Mission: Er vertritt Betroffene von Rassismus.

Von Christoph Koopmann

Blaise Francis El Mourabit kommt 16 Minuten zu spät zum Treffen in Düsseldorf und es ist nicht so, dass der Grund seiner Verspätung neu für ihn wäre. Die Polizei hat ihn auf seinem Motorroller angehalten, mal wieder. Diesmal ging es immerhin nicht um Drogen oder andere krude Vorwürfe, wie sonst, wenn man ihn kontrolliert. Er durfte weiter, als festgestellt war, dass sein Roller nicht frisiert ist. "Die Beamten waren sehr freundlich, solche Polizisten gibt es auch", sagt El Mourabit. Er kennt das auch anders.

Als er 19 war, zum Beispiel, hat er sich von seinem Ersparten einen Sportwagen gekauft, abgerockt, 200 000 Kilometer runter, aber schick war der. Damit war er unterwegs, als Zivilfahnder ihn anhielten - mit gezogenen Dienstwaffen. Sie dachten, der Wagen wäre gestohlen. So ist das, sagt El Mourabit, wenn man in Deutschland lebt und schwarz ist.

An diesem Abend kommt El Mourabit in Hemd, Weste und Lederschuhen, was hier nur erwähnenswert ist, weil er das betont. "Häufig habe ich den Eindruck, dass ich nur so mit dem gleichen Respekt behandelt werde wie meine weißen Mitmenschen." Gesiezt beispielsweise. Dabei ist er jetzt 36, hat als Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht schon VW-Manager verteidigt. Mittlerweile arbeitet er für einen Energiekonzern.

Am Feierabend aber vertritt El Mourabit Opfer rassistischer Diskriminierung ohne Honorar. Angefangen hat er damit vor einigen Jahren. Da hatte er vier, fünf Fälle im Monat. Menschen, die aufgrund von Vorurteilen wegen ihres Namens oder ihres Aussehens keine Wohnung bekommen haben oder keinen Job. Schlimm genug, sagt El Mourabit. Seit der gewaltsamen Tötung von George Floyd ist die Debatte über Rassismus, gerade bei der Polizei, auch in Deutschland lauter geworden. Seitdem kommt El Mourabit nicht mehr hinterher. Bei 350 Anfragen hat er aufgehört zu zählen, das war schon vor Wochen.

Eine junge schwarze Frau etwa wurde in Kaiserslautern von der Polizei kontrolliert. Unbegründet, wie sie fand. Sie filmte die Kontrolle, um alles zu dokumentieren. Daraufhin nahm man ihr das Handy ab, ein Beamter fixierte sie am Boden, kniete sich auf sie, bis die Frau das Bewusstsein verlor. Jetzt wird ermittelt - gegen El Mourabits Mandantin, weil die Handyaufnahme illegal gewesen sei.

Dutzende People of Color (PoC) hätten ihm von Schikane und Gewalt durch Polizisten berichtet, sagt El Mourabit. "Wir haben ein Problem, und zwar ein strukturelles", schlussfolgert er. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich lange gegen eine Studie zu Rassismus bei der Polizei gewehrt. Jetzt soll dieser Aspekt Teil einer größeren Untersuchung sein. El Mourabit ist das nicht genug.

Deshalb sitzt er am Mittwoch vergangener Woche bei einer Pressekonferenz in Berlin neben Tobias Singelnstein von der Ruhr-Uni Bochum, der 3400 Opfer von Polizeigewalt befragt sowie Interviews mit Polizisten und Fachleuten geführt hat. Das Ergebnis einer Auswertung zu Rassismus: Doppelt so viele PoC wie Weiße wurden kontrolliert, doppelt so viele fühlten sich diskriminiert, berichteten von rassistischen Beleidigungen. El Mourabit meint, jeder Polizist solle im Einsatz eine angeschaltete Bodycam tragen. Eine Kennzeichnungspflicht müsse es geben sowie eine unabhängige Ermittlungsstelle. Und: Antidiskriminierungsgesetze, die Betroffenen keine Steine mehr in den Weg legen.

Denn El Mourabit erlebt ständig, dass Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt werden. Nächtelange Arbeit, Fahrten durch die ganze Republik, alles umsonst also? Nein, meint der Anwalt. Selbst wenn ein Polizist von seinem Vorgesetzten am Ende bloß auf rassistisches Verhalten angesprochen wird, sieht El Mourabit das schon als Fortschritt. Doch bis Rassismus kein Problem mehr ist, sagt El Mourabit, "dürfte der Weg noch lang werden".

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