Profil:Claudia Pechstein

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Olympiasiegerin mit hoher Schmerztoleranz - und Blick auf den Bundestag

Von Boris Herrmann

Als Claudia Pechstein ihre erste internationale Medaille im Eisschnelllauf gewann, 1988 bei der Junioren-WM, da lagen Treptow und Köpenick noch hinter einer Mauer. 32 Jahre und 61 Medaillen später scheinen ihre Rückenleiden so chronisch zu sein wie ihr Ärger mit Sportfunktionären, Gerichten, Medien und allen, mit denen sie sich sonst noch so angelegt hat auf ihrem Weg durch dieses anstrengende Leben. Das sind für Pechstein aber keine Gründe, um es allmählich ein bisschen geruhsamer anzugehen. Ganz im Gegenteil.

Dieser Tage schindet sie sich im Radtrainingslager auf Mallorca, weil sie 2022 noch einmal zu den Olympischen Winterspielen in Peking will. Es wäre ihre achte Olympiateilnahme und ein weiterer Weltrekord. Kurz nach der Schlussfeier wird sie 50 Jahre alt.

Pechsteins Erfolgsformel liegt (nach eigenen Angaben) in ihrer Schmerztoleranz. "Wenn es wehtut, mache ich weiter", sagte sie einmal. Und das klang nie so plausibel wie jetzt, da sie auch noch da hingeht, wo es gegenwärtig am allermeisten wehtun dürfte: zur kriselnden CDU.

Während Pechstein auf Mallorca strampelt, hat Maik Penn, der CDU-Kreisvorsitzende von Treptow-Köpenick, gut zu tun, um das Interesse an seiner Direktkandidatin für die Bundestagswahl zu bedienen. Penn sagt, er habe "die in unserem Bezirk wohnende Spitzensportlerin Claudia Pechstein" Anfang April kontaktiert und dann gemeinsam mit Bundesministerin Julia Klöckner überzeugt, dass sie "ein Gewinn für die Union" wäre. So schnell kann es gehen, schon ist man als ewige Eischnellläuferin auch noch Politikerin.

Es stellen sich natürlich ein paar organisatorische Fragen. Die Doppelbelastung aus Bundestagswahlkampf und Olympiavorbereitung ist ja selbst für ihre Verhältnisse ein sportliches Vorhaben. "Mir ist klar, dass ich in der heißen Wahlkampfphase wohl gänzlich auf Freizeit verzichten muss", lässt Pechstein aus Mallorca ausrichten. Aber wenn sie im September tatsächlich ins Parlament einziehen sollte, wird sie dann ihr Radergometer mit in die Plenarsitzung bringen? Oder mit Inlineskates auf der Fraktionsebene um die Reichstagskuppel kreiseln?

Noch ist es nicht ganz so weit. Dass sie in Treptow-Köpenick direkt gewinnt, lässt sich ausschließen. Dort siegt Gregor Gysi für die Linke so zuverlässig wie der FC Bayern in der Bundesliga. Allerdings hat die Berliner CDU Pechstein auch gleich auf den sechsten Platz der Landesliste gesetzt. Das könnte reichen.

Auf dem Eis muss sie sich auch mit 49 Jahren nicht verstecken, was nicht zuletzt an der Konkurrenz liegt. Ähnlich scheint es ihr jetzt mit der CDU zu ergehen. Der ursprünglich in Treptow-Köpenick vorgesehene Direktkandidat zog sich Ende März wegen mutmaßlicher Verstrickungen in die Maskenaffäre zurück. Wenige Tage später kam die Anfrage an Pechstein, ob sie nicht einspringen wolle. Dabei ist sie nicht einmal Parteimitglied.

Gleichwohl treffen sich hier alte Bekannte. 2004 saß Pechstein für die CDU in der Bundesversammlung, um Horst Köhler zum Bundespräsidenten mitzuwählen. Als Athletin und Bundespolizistin hat sie sich aber auch schon mit dem unionsgeführten Innenministerium gezofft. Als Abgeordnete würde sie sich neben der Sportpolitik gerne dem Thema innere Sicherheit widmen. Sie sagt: "Wir haben hierzulande viel wichtigere Probleme zu lösen, als darüber nachzudenken, wo wir das nächste Gendersternchen setzen sollen."

Zwar haben es schon andere Spitzenathleten in den Bundestag geschafft. Der einstige Turn-Weltmeister Eberhard Gienger und der frühere Bahnrad-Olympiasieger Jens Lehmann sind Mitglieder der Unionsfraktion. Allerdings liegen in beiden Fällen viele Jahre zwischen dem Ende der sportlichen und dem Beginn der politischen Karriere. Man muss wohl Claudia Pechstein heißen, um auf die Idee zu kommen, sich beides auf einmal anzutun.

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