Profil:Adam Bodnar

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Polens Bürgerrechtskommissar verteidigt die Verfassung gegen die nationalpopulistische Regierung.

Von Florian Hassel

Rechtswidrige Einsätze von Anti-Terror-Einheiten gegen protestierende Frauen. Die illegale Festnahme eines oppositionellen Rechtsanwalts. Hassprovozierende Tweets des parteikontrollierten Staatsfernsehens gegen die Opposition: Polens Bürgerrechtskommissar Adam Bodnar hat jede Menge zu tun. Dabei sollte er schon seit Monaten nicht mehr im Amt sein.

Der 44 Jahre alte Bodnar, dessen Amt in Polen "Sprecher für Bürgerrechte" (Rzecznik Praw Obywatelskich, RPO) heißt, leitet ein Verfassungsorgan mit Hunderten Mitarbeitern und hütet "alle Rechte und Freiheiten der Menschen und Staatsbürger" gegen die Regierung. Bodnar, habilitierter Verfassungsrechtler und früher Führungsmitglied der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte, interveniert im Namen der Bürger bei starren Verwaltungen und Ministerien. Alle Behörden bis hinauf zum Ministerpräsidenten müssen dem RPO antworten, der zudem jedes Gesetz beim Verfassungsgericht anfechten kann.

Doch nur kurz nachdem Bodnar im September 2015 sein Amt antrat, wechselte in Polen die Regierung - und demontierte unverzüglich die Grundlagen des Rechtsstaats. Die von der nationalpopulistischen PiS-Partei geführte Regierung schaffte in rechtswidriger Weise die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts und anderer Justizinstitutionen ab, gab Geheimdiensten und Staatsanwaltschaft maßlose Vollmachten und schürte systematisch Hass gegen Minderheiten und politische Gegner. Polen werde heute autoritär-populistisch regiert und könne "nicht mehr als echte Verfassungsdemokratie definiert werden", fasste Bodnar die Lage zusammen.

Mit seinen offenen Worten wurde Bodnar zum Erzfeind der PiS. Deren Parlamentarierin Krystyna Pawłowicz beschuldigte Bodnar, er nehme "an einem Putsch gegen Polen teil". Der Justizminister-Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro begrüßte Bodnars bevorstehenden Abschied. Denn eigentlich sollte er am 9. September sein Büro räumen. Doch ein RPO bleibt im Amt, bis ein Nachfolger feststeht. Diesem muss der Senat zustimmen - doch die obere Parlamentskammer wird seit Ende 2019 nicht mehr von der PiS, sondern von der Opposition kontrolliert.

Diese schlug zusammen mit mehr als 1200 Bürgergruppen Zuzanna Rudzińska-Bluszcz als Bodnars Nachfolgerin vor, eine 38 Jahre alte Juristin, die den RPO seit 2015 oft vor Gericht vertreten hat. Doch ihre Kandidatur wurde von der PiS im von ihr kontrollierten Sejm schon zweimal abgelehnt. Deren Kandidaten wiederum, sämtlich PiS-nahe Politiker ohne die für das RPO-Amt notwendige Unabhängigkeit, haben keine Chance im Senat. Und so ist Bodnar, der im Herbst 2020 eine Covid-Infektion überstand, weiter im Amt.

Anfang Januar gab Bodnar in der polnischen Newsweek-Ausgabe zu Protokoll, 2020 seien etwa die verschobene Präsidentschaftswahl, die Aufhebung der Immunität prominenter Richter oder das Abtreibungsurteil des Verfassungsgerichts eine "klare Rechtsverletzung demokratischer Standards" gewesen. Auch die Geheimdienste seien außer Kontrolle. Nach Ablösung der PiS müsse der Rechtsstaat in Polen grundlegend wieder aufgebaut werden.

Zu den Baustellen könnte dann auch das Amt des RPO gehören: Seit Herbst überlegt die PiS, per Gesetz die notwendige Zustimmung des Senats zur Wahl eines neuen Bürgerrechtskommissars zu streichen oder das in der Verfassung nicht vorgesehene Amt eines "amtierenden RPO" zu schaffen. Um zuerst Adam Bodnar loszuwerden, soll das Verfassungsgericht, das von der PiS kontrolliert wird, am 11. Februar dessen Verbleib im Amt für verfassungswidrig erklären. Mit dem Fall sind dann Verfassungsrichter betraut, die unter rechtswidrigen Bedingungen ernannt wurden. Deren Urteile halten Bodnar und andere führende Juristen allesamt für ungültig. Und so bleibt offen, wann der Bürgerrechtskommissar tatsächlich sein Büro räumen wird.

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