Süddeutsche Zeitung

Polen:Schönen Dank nach Brüssel

Die Warschauer Regierung kann mit dem Geld der EU weiterhin machen, was sie will. Diese selbst macht es möglich - und die linke Opposition daheim hilft jetzt auch noch dabei.

Von Florian Hassel

Polens Parlament hat also den geplanten 750-Milliarden-Euro-Fonds der EU gebilligt, mit dem die EU den durch Corona geschwächten Wirtschaften Europas neuen Schwung verleihen will: 290 Ja-Stimmen, nur 33 Nein-Stimmen bei 133 Enthaltungen. Tatsächlich bedeutet das Ergebnis politische Kapitulationen, in Warschau wie in Brüssel.

Polens geschwächte, zunehmend zerstrittene Regierung hatte allein keine Mehrheit für die Zustimmung zu den 750 Milliarden, von denen ein Teil für das Land bestimmt ist. Denn Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro, einer der Hauptakteure bei der Demontage des Rechtsstaates, und seine Partei "Solidarna Polska", der Koalitionspartner der PiS, verweigerten dem Fonds die Zustimmung, sie stimmten mit Nein.

Zugeständnisse wären nicht nur nötig gewesen. Sondern auch möglich

Der EU-Fonds bekam nur deshalb eine Mehrheit, weil Polens Linke aus der Opposition ausscherte und sich ihre Zustimmung mit nebensächlichen Zugeständnissen abkaufen ließ. Mehr wäre nötig und möglich gewesen: mindestens ein Gesetz, das eine unabhängige Kontrolle ermöglicht, wie die demnächst ins Land fließenden EU-Milliarden verwendet werden. Ohne eine solche Kontrolle wird in Polen Geld vor allem Anhängern der PiS-Regierung zugeschoben und Gegnern verweigert, wie Studien der vor allem von George Soros getragenen Batory-Stiftung zeigen.

Eine grundsätzliche Frage drängt sich auf: Warum ist es in der EU überhaupt möglich, dass Mitglieder wie Polen und, noch länger, Ungarn den Rechtsstaat abbauen, damit einen Grundkonsens in der EU aufkündigen, und trotzdem erhalten sie weiter Geld? Bankkunden erhalten ja auch nicht die zweite Kreditrate überwiesen, wenn sie schon die erste nicht bedienen. Nach der demonstrativen Missachtung mehrerer Urteile des Europäischen Gerichtshofes hätte die EU der Regierung in Warschau jeden Euro sperren müssen.

Angeblich spielen rechtsstaatliche Kriterien künftig - auch beim 750-Milliarden-Euro-Aufbaufonds - eine Rolle. Skepsis ist angebracht. Warum sollte die EU künftig etwas ahnden, was sie ja bisher auch nicht tut? Bis heute gibt es keine Millionenstrafgelder gegen Polen; im Gegenteil, die Milliarden der EU, also der Partner, fließen weiter.

Überall im Land kleben Plakate - der Regierung

Nur noch mal zur Erinnerung: Polens Regierungschef hat Ende März das zum Parteigericht degradierte Verfassungsgericht ersucht zu entscheiden, dass polnisches Recht über europäischem steht, sofern letzteres der Regierung nicht passt. Justizminister-Generalstaatsanwalt Ziobro bekräftigte am Dienstag, dass er nichts an seiner gegen die EU und den Rechtsstaat gerichteten Politik ändern will und "polnische Souveränität" über allem stehen soll. Und unabhängige Richter werden im ausdrücklichen Widerspruch zu EuGH-Urteilen mit Strafverfahren überzogen.

Umgerechnet 168 Milliarden Euro fließen in den nächsten Jahren aus EU-Haushalt und dem neuen Aufbaufonds nach Polen - so lässt die Regierung im Land plakatieren, sie verkauft es als ihr Verdienst. Der Großteil des Geldes wird kommen, bevor die PiS und ihre Alliierten 2023 zur Wiederwahl stehen. Diese Milliarden werden so unwillentlich zur Wahlhilfe für eine Regierung, die sich weit von den Idealen Europas entfernt hat. Dass dies in Ländern wie Ungarn ähnlich ist, macht die Sache nicht besser, sondern nur noch schlechter.

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