Wochenlang greift die Trump-Regierung nun schon die Universitäten an, streicht ihnen Gelder und zwingt sie dazu, Programme für Vielfalt und Inklusion einzustellen. In dieser Woche hat sie der angesehenen Harvard-Universität Gelder in Höhe von 2,2 Milliarden Dollar entzogen, weil diese sich den Forderungen der Regierung widersetzt hatte.
Langsam regt sich Widerstand gegen Donald Trump. Dabei sah es lange so aus, als könne der US-Präsident ungestört gegen alles, was links, kritisch oder vielfältig ist, kämpfen. Was sagt das über die Demokratie der USA aus? Darüber spricht Carolin Emcke in dieser Folge des Podcasts mit dem Sozialphilosophen Martin Saar.
Saar, geboren 1970 in Tübingen, ist Professor für Sozialphilosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er forscht zur politischen Theorie der Gegenwart und zur politischen Ideengeschichte, zu Macht, Ideologie und Demokratie. Saar ist gut in den USA vernetzt, unter anderem forschte und lehrte er an der New School of Social Research in New York. Kürzlich erschien sein Buch „Was ist Sozialphilosophie?“.
Egal, ob Krebs- oder Genderforschung. Die ganze Wissenschaft ist betroffen
Während der Aufnahme des Podcasts befindet sich Martin Saar im amerikanischen St. Louis. Im Podcast berichtet er von Gesprächen mit Trump-Wählerinnen und Wählern, die ein generelles Gefühl der Entfremdung von politischen und wissenschaftlichen Eliten eint. „Das, was ich heraushöre, ist: Hier räumt jemand auf mit einem Laden, der als elitär abgehoben, nicht den Interessenbedürfnissen des Volkes entsprechend angesehen wird.“ Der Sozialphilosoph vermutet, dass Donald Trumps Versuche, die liberale Demokratie zu untergraben und autoritäre Strukturen in den Vereinigten Staaten zu etablieren, seinen Unterstützern ein Gefühl der Selbstermächtigung vermittle.
In diesem Sinne analysiert Martin Saar auch die Budgetkürzungen bei Hochschulen und Universitäten: als generellen Angriff auf die Wissenschaft, die gemeinhin für Pluralismus und liberale Werte stehe. Dabei sei es egal, ob Krebs- oder Genderforschung betroffen sind. Das gesamte universitäre System werde „als Teil einer nicht volksmäßigen, abgehobenen, isolierten Schicht“ angesehen.
Keine Disruption, sondern ein Ausnutzen der Schwächen des Systems
Als Faschismus möchte Martin Saar das, was in den USA passiert, jedoch nicht bezeichnen. Stattdessen sieht er einen Autoritarismus am Werk, der die formalen Strukturen der Demokratie gleichzeitig ausnutze und aushöhle. Das demokratische System bleibe formell intakt, während Bürgerfreiheiten und Minderheitenrechte systematisch untergraben werden.
Der Sozialphilosoph plädiert dafür, in der Analyse die bereits in westlichen Demokratien angelegten Ambivalenzen kritisch zu reflektieren, statt eine idealisierte Vorstellung von Demokratie zu verteidigen. „Die demokratischen Verfahren und Legitimierungsformen, hatten immer auch eine Gewaltseite.“ In diesem Kontext müsse auch die Politik der Trump-Regierung betrachtet werden. Nicht als groß angelegte Disruption des Systems, sondern als autokratisch-demokratische Mischstruktur.
Empfehlung von Martin Saar
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Martin Saars Kulturtipp ist das kürzlich erschienene Album „Lonely People with Power“ der Band Deafheaven. „Immer wenn es mir ganz schlecht geht, höre ich das, dann geht es mir noch etwas schlechter, und die Musik führt mich aber auch genau da heraus.“ Gerade die Mischung aus Traurigkeit und Aggression des Albums spreche ihn an, erzählt Saar. Deafheaven ist eine Band, die am ehesten dem Post-Metal zugeordnet werden kann. Die Musik betont Düsternis, Atmosphäre und Emotionen. „Das ist Heavy Metal, der aus sich heraustritt und zu etwas ganz anderem wird.“
Moderation, Redaktion: Carolin Emcke
Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt
Produktion: Imanuel Pedersen
Bildrechte Cover: Jürgen Lercher, Goethe-Universität/Bearbeitung SZ