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Philippinen:Klick zurück

Der Diktatoren-Sohn Ferdinand Marcos Jr. ist zum nächsten Präsidenten der Philippinen gewählt worden. Wie kann ein Volk sich so etwas antun? Die Antwort liegt auch im Blick der Politik auf die Wähler.

Von David Pfeifer

Es ist kaum zu glauben: Ferdinand Marcos Jr. wird Präsident der Philippinen. Der Sohn des gleichnamigen, kleptokratischen Tyrannen, von dem sich das Volk 1986 mutig befreit hatte. Das Ereignis wirkt ähnlich wie die Wahl von Donald Trump, wie der Brexit: Man fragt sich, was nur mit den Wählerinnen und Wählern los ist, die ihre Stimme anscheinend dazu nutzten, um ihr eigenes Verderben zu wählen.

Marcos Jr. bestritt seinen beeindruckenden Wahlkampf vermutlich mit Geld, das seine Familie dem armen Land gestohlen hat. Er hat gelogen und Gesetze gebrochen, als besonderer politischer Geist gilt er auch nicht. Aber das ist heute nicht nötig, um gewählt zu werden. Vielmehr kann, wer sich an die althergebrachten demokratischen Regeln der politischen Machtaneignung hält, leicht verlieren.

Es gibt auf den Philippinen eine tiefe Unzufriedenheit mit den Regierenden, die seit Jahrzehnten vorwiegend für sich und ihre Klientel gewirtschaftet haben. Es fehlt Hoffnung auf eine bessere Zukunft in dem Land, in dem zwar die Bevölkerung stark wächst, die wirtschaftlichen Perspektiven und die Infrastruktur aber hält nicht Schritt. Und wenn es schon egal zu sein scheint, wen man wählt, weil man am Ende immer der Doofe ist, kann man auch den Kandidaten mit dem größten Unterhaltungswert wählen, siehe Trump und Boris Johnson.

Marcos Jr. hat die jungen Philippiner mit einem Mix aus Privatem und großen Versprechungen dort erreicht, wo sie sind - im Netz

Hinzu kommt die ungewöhnlich junge Bevölkerung auf den Philippinen. Mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten sind zwischen 18 und 40 Jahren, sie haben keine Erinnerung mehr an die düsteren Jahre des Marcos-Regimes. Das sind üble Geschichten von vorgestern. Und die Duterte-Jahre waren ja nicht viel besser.

Aufregend sind dagegen die Versprechen, die Marcos Jr. für die Zukunft gegeben hat: Die Armen weniger arm zu machen, Umweltkatastrophen weniger bedrohlich, das Land wieder zu vereinen. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, und es wird wohl auch nicht so kommen. Aber das Versprechen wurde vor allem an die jungen Wählerinnen und Wähler gesendet, die einen großen Teil ihres Lebens mit Smartphones, auf Youtube und Facebook verbringen. In einer Umgebung, in der News und Fake News gleichwertig nebeneinander stehen. In der man die Menschen privat erwischt - am besten mit Privatem.

Auf den Social-Media-Kanälen, auf denen offensichtlich gut ausgebildete Fachleute den Wahlkampf für das Marcos-Team betreut haben, wurde der Diktatoren-Sohn als netter Typ präsentiert, der sich an seine Jugendliebe erinnert und Transparenz als höchstes Gut ansieht. Harte Fragen von Journalisten hat er nicht beantwortet und auch Kandidaten-Runden gemieden, in denen er schlecht ausgesehen hätte. Seine Konkurrenten beschränkten sich hingegen darauf, ihre Reden auf Youtube einzustellen und beschwerten sich darüber, dass Marcos Jr. sich nicht an die Regeln halte. Nun hat er mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewonnen.

Es wäre zu einfach, das Ergebnis allein auf die Wählerinnen und Wähler zu schieben. Stattdessen hätten die Mitbewerber, neben einer Zukunftsperspektive, auch Narrative entwickeln müssen, die nicht nur überzeugender sind als die von Marcos Jr., sondern auch so klar und verständlich, dass sie nicht in den modernen Aufmerksamkeitsströmen untergehen. Ein Anfang wäre es, sich mehr für den Alltag und das Kommunikationsverhalten der Menschen, als für sich selber und seinesgleichen zu interessieren. Das gilt nicht nur für Politiker auf den Philippinen.

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