Süddeutsche Zeitung

Peru:Der Albtraum der peruanischen Rechten

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Pedro Castillo bereitet sich auf seinen Wechsel vom Bauernhof in den Anden in den Präsidentenpalast vor. Als Linkspopulist will er den Reichtum aus der Bergbauindustrie gerechter verteilen, aber er hat auch eine stockkonservative Seite.

Von Peter Burghardt

Noch vor dem Morgengrauen stand der Junge auf und bereitete das Mittagessen vor. Dann ging Pedro Castillo mit seinem Poncho in die Schule, zu Fuß durch die peruanischen Anden. Zwei Stunden hin, zwei Stunden zurück. 3000 Meter hoch durch die Wolken, über Pfade und vorbei an Schluchten. Unterwegs soll er mit den Händen gefuchtelt haben wie ein Dirigent, Bauern in der Nachbarschaft hielten ihn für verrückt.

Er sei aber nicht krank, versicherte der kleine Pedro seiner Mutter. "Ich mache meine Hausaufgaben. Ich schreibe in die Luft." Ein Reporter der Zeitung El País hatte die Heimat des künftigen Präsidenten Perus vor dieser Wahl besucht und seine Jugend schön beschrieben, es klingt wie ein Märchen. Ein Sohn aus dem armen Hochland, das dritte von neun Kindern zweier Analphabeten, später Lehrer und jetzt bald im Präsidentschaftspalast von Lima.

Nun ließ sich Pedro Castillo, 51, auf einem Balkon seiner sehr linken Partei Perú Libre (Freies Peru) in der Hauptstadt feiern, einen weißen Sombrero auf dem Kopf. Er erklärte sich zum Sieger der Stichwahl vom vergangenen Sonntag. "Lasst uns nicht den Willen des Volkes beschmutzen", bat er in diesen Tagen voller Pathos und Dramatik. Denn das Märchen vom künftigen Staatschef des südamerikanischen Landes ist auch ein Thriller.

Gegenkandidatin Fujimori spricht von Betrug

Nur gut 60 000 Stimmen trennen Castillo von seiner rechten Rivalin Keiko Fujimori. 50,17 Prozent er, 49,83 Prozent sie. Die Verliererin spricht von Betrug, obwohl es dafür keinen Beweis gibt. Die Nachzählung dürfte die Spaltung der Nation noch mehr verschärfen.

Irgendwer spottete, das Duell zwischen Castillo und Fujimori sei ungefähr so, als ob man im Amazonas schwimme und sich entscheiden müsse, ob man von einer Anakonda oder Piranhas aufgefressen werde. Linkspopulist gegen Rechtspopulistin. Hier der Dorflehrer Pedro Castillo, der einem marxistisch-leninistischen Bündnis nahesteht. Dort Keiko Fujimori, Tochter des früheren Autokraten Alberto Fujimori, der Peru von 1990 bis 2000 mit übelsten Methoden regierte und nachher (wie viele ehemalige Präsidenten Perus) im Gefängnis landete.

Keiko Fujimori könnte ihrem Vater in eine Zelle statt ins Amt folgen, die Staatsanwaltschaft will sie wegen Korruption wieder in Untersuchungshaft stecken. Sie und ihre Anhänger verbreiten derweil das Schreckensszenario, dass Peru unter einem Presidente Castillo im Kommunismus versinken und sich mindestens in eine Art Venezuela verwandeln würde. Zu ihren Unterstützern zählt der Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, zuvor alles andere als ein Freund der Fujimoris.

In seiner Heimat gibt es Gold. Und viel Armut

Es wurde sogar behauptet, Castillo hege Sympathien für die maoistische Steinzeitterrorgruppe Leuchtender Pfad, die Fujimori senior mehr oder weniger ausgelöscht hatte, eine Unterstellung ohne vernünftige Belege. Geprägt hat ihn allerdings seine Herkunft. Pedro Castillo stammt aus der Region von Cajamarca, wo eine der größten Goldminen der Erde liegt und die meisten Menschen in Armut leben. Er brachte es zum Pädagogen mit Hochschulabschluss und wurde bekannt, als er 2017 einen Lehrerstreik anführte.

Als Nachfolger des Interimspräsidenten Francisco Sagasti will er den Reichtum der Bergbauindustrie mehr im eigenen Lande verteilen, er erinnert da an den Bolivianer Evo Morales. Andererseits ist der Katholik stockkonservativ, gegen Abtreibung und gegen homosexuelle Partnerschaften. Seine verschreckten Gegner versucht Castillo zu beruhigen: Seine Regierung werde für finanzielle und wirtschaftliche Stabilität sorgen, vom Chavismus distanzierte er sich zuletzt.

Wie es aussieht, wird der Mann, der einst in die Luft der Anden schrieb, bald vom Bauernhof in den Regierungspalast Casa de Pizarro ziehen. Als Pedro Castillo seiner Familie daheim seine Kandidatur verkündete, da soll seine Frau erst mal eine Hühnersuppe gekocht haben, dann wurde mit dem Dorfpfarrer gebetet.

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