Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Die im Dunkeln ...

150 000 Fälle von Partnerschaftsgewalt soll es im vergangenen Jahr gegeben haben. Erklären kann man das, rechtfertigen nicht.

Von Henrike Roßbach

Gewalt in der Partnerschaft kann viele Formen annehmen. Psychische Gewalt, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Schläge, Tötungsversuche, bis hin zum Mord. Im vergangenen Jahr wurden 139 Frauen und 30 Männer von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das Bundeskriminalamt meldet fast 150 000 Fälle von Partnerschaftsgewalt, und das sind nur die, die es in die Polizeistatistik geschafft haben.

Die weit überwiegende Zahl der Opfer sind Frauen, und die weit überwiegende Zahl der Tatverdächtigen sind Männer. Ja, es gibt auch männliche Opfer, und jedes von ihnen ist eines zu viel. Relativierungsversuche aber sind dennoch Scheingefechte: Partnerschaftsgewalt ist in aller Regel Gewalt von Männern gegen Frauen.

Mal sind es eigene Gewalterfahrungen, die jemanden zum Täter werden lassen, mal die irrige Vorstellung, die eigene Frau zu besitzen, ein Recht auf sie und ihren Köper zu haben. Oft sind Trennungen ein Auslöser für Gewalt, weil der Verlassene es nicht ertragen kann, verlassen zu werden. Alkohol und Drogen spielen eine Rolle, Stress und Sorgen ebenfalls. Doch auch wenn man manches erklären kann - als Rechtfertigung darf keiner dieser Faktoren gelten.

In der Statistik des Bundeskriminalamts lässt sich nicht ablesen, dass die Lockdown-Maßnahmen des Jahres 2020 die Partnerschaftsgewalt hierzulande in neue, ungeahnte Höhen getrieben hätten. Doch auch hier gilt das Brecht-Zitat: "Denn die einen sind im Dunkeln/Und die anderen sind im Licht. Und man sieht nur die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht."

Das "Dunkelfeld" ist bei diesen Delikten schon in Nicht-Pandemiezeiten enorm; die Taten also, die niemand meldet, die keiner mitbekommt, in denen kein Polizist ermittelt und keine Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Dass das Aufeinanderhocken im Lockdown, die Existenzängste und der innerfamiliäre Stress ohne Folgen geblieben wäre, das nimmt auch der BKA-Chef nicht an, allen Zahlen zum Trotz.

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