Österreich-Kolumne:Schlechte Stimmung

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Sebastian Kurz muss erklären, warum die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihn demnächst anklagen könnte. (Foto: Helmut Fohringer/dpa)

Ist Österreichs Kanzler Sebastian Kurz Opfer des Ibiza-Untersuchungsausschusses und übelmeinender Abgeordneter der Opposition? Schwer vorstellbar.

Von Cathrin Kahlweit

Gleich rechts vor dem Wiener Wurstelprater steht ein Denkmal für Robert Stolz, der das berühmte Lied "Im Prater blühn wieder die Bäume" komponiert hat. Es ist genau die richtige Zeit, um an den Grazer zu erinnern - nicht nur, weil auf der Hauptallee im Prater die Kastanien um die Wette blühen, sondern auch, weil Angriffe gegen Juden und jüdische Einrichtungen täglich zunehmen. Die Israelitische Kultusgemeinde in Wien meldete für 2019 eine Zunahme antisemitischer Übergriffe um knapp sieben Prozent; der Anstieg in diesem Jahr dürfte allein schon wegen der eskalierenden Gewalt in Israel und der antisemitischen Zumutungen mancher Corona-Leugner noch weit höher ausfallen.

Was das alles mit dem großen Österreicher Robert Stolz zu tun hat, der 1975 in Berlin gestorben ist, aber natürlich in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt wurde? Die wenigsten wissen, dass Stolz nach der Machtergreifung der Nazis zahlreiche Juden und politisch Verfolgte rettete, die er in seiner großen Limousine über die Grenze nach Österreich schmuggelte. Oder dass er kurz nach dem "Anschluss" emigrierte. Und dass er 1942 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert und sein Vermögen beschlagnahmt wurde, nachdem er alle Angebote Hitlerdeutschlands ausgeschlagen hatte, "in Ehren" zurückzukehren. Seit ich all das gelesen habe, mache ich auf dem Weg in den Prater immer einen kleinen Schlenker am Stolz-Denkmal vorbei und verbeuge mich davor, bevor ich dem Duft der blühenden Kastanien folge.

Kurz kann sich mal nicht als Krisenbewältiger inszenieren

Der Kanzler hätte es sicher gern gehabt, wenn die Wienerinnen und Wiener sich in Vorfreude auf den 19. Mai, an dem landesweit das vorläufige Ende der Corona-Pandemie eingeläutet wird, vor allem auf blühende Bäume und eine Fahrt im wieder anlaufenden Riesenrad stürzen würden, anstatt über seine möglichen Falschaussagen im Juni 2020 vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zu reden.

Nun kann sich Kurz nicht als Krisenbewältiger inszenieren, sondern muss erklären, warum die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ihn demnächst anklagen könnte. Kurz sagt wortreich und auf vielen Kanälen (darunter auch in einem Hintergrundgespräch, zu dem etwa Falter und Profil nicht eingeladen wurden, und die SZ sowieso nicht), die Atmosphäre im Ausschuss sei darauf angelegt, jemanden in Falschaussagen regelrecht hineinzudrängen.

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Als jemand, der mehr unregelmäßig als häufig, aber doch immer wieder in diesem Ausschuss sitzt, muss ich mich da ein wenig wundern. Auf Fernsehbildern sieht man den Kanzler zu Beginn heftig scherzen und lächeln, aber gleich in seinem Eingangsstatement setzt er, wie man im 82-seitigen Protokoll nachlesen kann, einen anderen Ton. Was er ablehne, so der Kanzler, sei, "wenn es zu pauschalen Anpatzversuchen oder Unterstellungen kommt". Die Fragen zur Causa Öbag und zur Bestellung von Vorstandschef Thomas Schmid sind meist simpel und oft ähnlich im Wording, die Dynamik ist gemäßigt. Der Abgeordnete Helmut Brandstätter (Neos) etwa fragt: "Ist die Planung, dass er Chef der Öbag wird, von Ihnen? Von wem ist sie ausgegangen?" Wenig später ist die Abgeordnete Stephanie Krisper (Neos) dran. "Haben Sie auf die Bestellung Schmids zum Vorstand der Öbag Einfluss genommen oder zumindest versucht, Einfluss zu nehmen?" Kurz weicht, wie schon mehrmals zuvor, aus. Er sei informiert gewesen, nicht mehr. Krisper: "Beantworten Sie bitte meine Frage, ob Sie versucht haben, auf die Bestellung Einfluss zu nehmen."

Nach Pfingsten geht der Ausschuss weiter - mit neuem Material

Die Stimmung ist zeitweilig schlecht, auf allen Seiten. Stundenlang wird gefragt, gefrotzelt, geschimpft, manchmal gelacht. Gegen Ende der Befragung wendet sich Jan Krainer (SPÖ) noch einmal der Öbag zu. Wer entschieden habe, dass die Öbag einen Alleinvorstand erhält? Antwort Kurz: Der Gesetzgeber, mit Zustimmung der SPÖ. "Also würde ich sagen, die SPÖ hat entschieden." Mehr eine Provokation als eine Antwort.

Kurz als Opfer des Ausschusses und übelmeinender Abgeordneter? Schwer vorstellbar. Dieser Mann lässt sich nicht aus der Deckung locken. Er ist ein Profi, gut gebrieft, von Medienexperten trainiert, erfahren im Umgang mit Kritik. Aber die Abgeordneten werden nicht lockerlassen. Gleich nach Pfingsten geht der Ausschuss in die nächste Runde. Mit neuem Material.

Ihnen wünsche ich ein Wochenende unter Kastanien und möglichst ohne Regen. Und vielleicht hören Sie ja mal zum Spaß bei Robert Stolz hinein; die Texte stimmen jedenfalls sehr heiter. Eine Kostprobe: "Im Prater blühn wieder die Bäume, in Sievering grünt schon der Wein; da kommen die seligen Träume, es muss wieder Frühlingszeit sein. Im Prater blühn wieder die Bäume; es leuchtet ihr duftendes Grün, drum küss, nur küss, nicht säume, denn Frühling ist wieder in Wien."

Diese Kolumne erscheint am 14. Mai 2021 auch im Österreich-Newsletter , der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Hier kostenlos anmelden.

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