Süddeutsche Zeitung

Österreich:Späte Rache

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Thomas Schmid, einst enger Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, kooperiert jetzt mit der Staatsanwaltschaft in Wien. Das könnte unschön werden für Kurz.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Gerade noch hatte Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz ausgiebig Hof gehalten, um sein Buch zu vermarkten, das "Reden wir über Politik" heißt - aber wenig Erhellendes über Politik und keinerlei Aussagen über die zahlreichen Skandale enthält, deretwegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen ihn und sein Umfeld ermittelt. Jetzt aber dürfte sich Kurz plötzlich und eiligst wieder in Deckung begeben - und für kritische Fragen, die er ohnehin nie mochte, nicht erreichbar sein.

Denn am Dienstag wurde bekannt, dass seine Nemesis Thomas Schmid, einer der engsten Mitarbeiter aus seiner Zeit als Politikaufsteiger, Außenminister und später Kanzler einer schwarz-blauen Koalition, dereinst omnipräsenter Strippenzieher und manischer Verfasser von Textnachrichten, mit der Staatsanwaltschaft in Wien kooperiert. Die ermittelt, alles in allem, gegen 45 Beschuldigte aus der ÖVP und dem Kurz-Team sowie gegen den Ex-Kanzler selbst. Schmid soll, wie sogleich zu hören war, sein früheres Idol schwer belastet haben. "Ich liebe meinen Kanzler", hatte er einst geschrieben. Das war lange bevor die Polizei 300 000 Chats auf Schmids Handy fand, die teilweise schlicht geschmacklos waren, teils aber auch Hinweise auf mögliche Straftaten gaben.

Schmid hat ausgepackt und belastet Kurz, aber auch dessen Umfeld schwer. Der Ex-Kanzler und viele andere bestreiten alle Vorwürfe, die ÖVP verweist empört darauf, dass Untreue, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch noch lange nicht bewiesen seien. Verwunderlich ist es dennoch nicht, dass sich Schmid gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber gewandt hat. Schließlich hatte Kurz, als es vor einem Jahr mit Ermittlungen und Hausdurchsuchungen losging, die in seinen Rücktritt mündeten, Schmid im Regen stehen lassen und jegliche Kenntnis seiner Aktivitäten bestritten. Dabei hätte der alles für seinen Helden getan. Das rächt sich nun. Schmids Aussage ist seine Form der Rache.

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