Streit über Rundfunkbeitrag:Am Ende gewinnen immer die Sender

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Eine Mitarbeiterin der ARD mit einer Kamera des Hauptstadtstudios. Die öffentlich-rechtlichen Sender würden sich mit einem fatalen "Wagenburg-Verhalten" gegen Reformen stemmen, sagen die Verfasser des Manifests. (Foto: imago)

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beitragserhöhung der Öffentlich-Rechtlichen gebilligt. Das ist richtig, aber ist damit auch alles wieder gut? Nein, und genau darum sollten die Länder endlich eine Reform wagen.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Das innige Verhältnis, welches das Bundesverfassungsgericht zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk unterhält, gehört zu den bemerkenswertesten Eigenheiten der Bundesrepublik. Vor 60 Jahren fegte das Gericht den dreisten Plan des Bundeskanzlers vom Tisch, ein ihm genehmes Adenauer-Fernsehen zu gründen. Es sollte der Startschuss sein für eine beispiellose Siegesserie der öffentlich-rechtlichen Sender, mit einem zunehmend weit gefassten Rundfunkauftrag und einer großzügigen "Bestands- und Entwicklungsgarantie". Selbst als das Gericht den Privatfunk zuließ, legte es einen Garantieschein für die Sendeanstalten bei; nur sie könnten, befreit vom Quotendruck, für die demokratisch erforderliche Meinungsvielfalt in Radio und Fernsehen sorgen. In Karlsruhe klagen hieß für die Sender: in Karlsruhe gewinnen.

Es kommt also nicht wirklich überraschend, dass das Gericht nun auch die von Sachsen-Anhalt torpedierte Beitragserhöhung durchgewinkt hat. Noch dazu, da es um einen zentralen Baustein der Rundfunkordnung geht, der bereits vor 60 Jahren gelegt wurde. Die Rundfunkfreiheit des Grundgesetzes verlange, "dass dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird", hieß es damals. Der Rundfunkbeitrag dürfe nicht zum Hebel der Länder werden, um Einfluss auf das Programm zu nehmen, heißt es heute.

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Die Politik muss draußen bleiben wie der Fuchs aus dem Hühnerstall. Zentral für die Beitragsfestsetzung ist jene unabhängige Kommission mit dem in öffentlich-rechtlichen Kreisen magischen Kürzel KEF. Der Erste Senat baut nun sogar eine zusätzliche Sicherung ein: Abweichungen von den KEF-Empfehlungen können die Länder theoretisch zwar in engen Grenzen beschließen, aber eben nur gemeinsam. Damit hat Karlsruhe ein umgekehrtes Vetorecht der Länder geschaffen - nicht etwa gegen Beitragserhöhungen, sondern gegen deren Verhinderung. Heißt: Der politische Einfluss auf die Festsetzung der Rundfunkbeiträge geht gegen null.

Alle Versuche, übers Geld das Programm beeinflussen zu wollen, müssen unterbunden werden

Das ist natürlich richtig so und unverzichtbar für eine Rundfunkordnung, die auf Unabhängigkeit aufbaut. Die Politik darf nicht am Geldhahn manipulieren, jegliche Versuche, auf diesem Weg Einfluss aufs Programm zu nehmen, müssen strikt unterbunden werden. Die Causa Sachsen-Anhalt hat ja gezeigt, wie es läuft: Kaum hatte das Land mit einem Nein gedroht, beeilten sich die Intendanten, den ostdeutschen Ländern Zusagen zu machen. Gewiss, damit haben sie wohl ein eigenes Versäumnis eingestanden, eine zu einseitige Orientierung auf den alten Westen. Aber ihre Eilfertigkeit zeigt eben auch, wie sensibel die Sache mit dem Geld ist.

Der Karlsruher Beschluss hat also völlig zu Recht die Wand höher gezogen, zwischen den Politikern und den Sendern, die unabhängig über sie berichten sollen. Trotzdem ist nach der Entscheidung keineswegs alles in Ordnung. Das sachsen-anhaltische Veto mag juristisch aus der Welt sein, der Unmut über "die Öffentlich-Rechtlichen" ist es nicht.

Irgendwann musste der Unmut in Druck umschlagen

Seit Jahren bröckelt der bundesrepublikanische Konsens, der die öffentlich-rechtlichen Sender als Demokratiegarant ins Zentrum des Mediensystems gerückt hatte. Daran sind zum Teil die Sender schuld. Nachrichten und Magazine sind sehr solide, das ist richtig, auch im Kultursektor findet sich das eine oder andere Juwel. Aber mit ihren jede Kreativität erstickenden Strukturen treiben sie das Publikum zu den Streamingdiensten. Der schwärmerische Überschwang, mit dem das Gericht die in Zeiten von Fake News gewachsene Bedeutung der Anstalten preist, klingt da wie das Pfeifen im Walde. Hinzu kommt ein den klassischen Medien feindlich gesonnener Zeitgeist in Teilen der Gesellschaft - Stichwort "Lügenpresse".

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Es war absehbar, dass dieser Unmut irgendwann in politischen Druck umschlagen würde. Insofern ist Sachsen-Anhalts Einspruch kein Unfall, sondern ein Symptom. Er legt offen, dass das komplexe System der Beitragsfinanzierung nur für schönes Wetter gemacht ist, das der mediale Klimawandel nicht mehr gewährleisten wird.

Die Länder sollten das bisher Undenkbare machen

Die Länder sollten sich daher ein Herz fassen und das Undenkbare unternehmen: ihren weitgehenden Rückzug aus der Festsetzung der Beiträge. Denn nach dem Karlsruher Beschluss bleibt den Landtagen ohnehin nur die Rolle des Notars - eine Zumutung für ein gewähltes Parlament. Karlsruhe hat ihnen zwei Reformwege aufgezeigt. Sie können die Entscheidung über die Rundfunkbeiträge aus den Landtagen herausnehmen und stattdessen eine Rechtsverordnung genügen lassen, also ein schlankes Jawort der Regierung. Damit wäre der unnötige Streit über Beiträge, die man politisch nicht beeinflussen kann, aus den Parlamenten verbannt. Zweite Möglichkeit: Die Einführung eines Mehrheitsprinzips. Denn dass alle Länder wie bisher einstimmig entscheiden müssen, ist keineswegs zwingend. Sie könnten sich per Staatsvertrag beispielsweise auf eine Zweidrittel-Mehrheit verständigen und so Blockaden durch einzelne Länder ausschließen.

Ein utopischer Vorschlag, weil kein Land freiwillig Macht preisgeben wird? Gewiss. Aber die Alternative ist, dass über die Rundfunkbeiträge am Ende in Karlsruhe entschieden wird. Und dort, siehe oben, gewinnen die Sender.

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