Süddeutsche Zeitung

Oder:Alles im Fluss

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Die Debatte um das Fischsterben in der Oder sagt viel über die schwierigen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Eine Lösung finden die Nachbarn nur, wenn sie einander verstehen lernen.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Flüsse können Länder verbinden, und sie können Länder trennen, beides zur selben Zeit. An keinem Fluss wird das derzeit so spürbar wie an der Oder: Sie ist Grenzfluss zwischen Deutschland und Polen, zugleich aber ist sie ein gemeinsames Schicksal beider Länder. Was in der Oder schiefgeht, trifft beide gemeinsam. Wenn der Fluss nach diesem gigantischen Fischsterben irgendwann wieder leben soll, kriegen das die beiden Nachbarn nur gemeinsam hin. Und das geht nur auf eine Art: Sie müssen reden.

Zwischen Deutschland und Polen hält die Oder derzeit nur Trennendes bereit

Die Umweltministerinnen beider Länder haben das am Montag getan. Sie hatten Dolmetscherinnen, finden aber doch nicht zu einer gemeinsamen Sprache. Die Deutsche Steffi Lemke verlangt die Renaturierung der Oder und einen Ausbaustopp, dafür war sie schon als grüne Bundestagsabgeordnete eingetreten. Ihre polnische Kollegin Anna Moskwa fordert eine Modernisierung und argumentiert mit dem Hochwasserschutz, denkt aber auch an die Schifffahrt. Diese Verbindung zur Ostsee hat naturgemäß für Polen eine größere Bedeutung als für die industriearmen Anlieger auf der deutschen Seite. Zwischen Deutschland und Polen hält die Oder derzeit nur Trennendes bereit.

Dahinter liegt mehr als nur die Frage, wie das Fischsterben im Fluss seinen Lauf nehmen konnte. Die Probleme in der Oder werfen ein Schlaglicht auf die schwierigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Polen fühlt sich zu Unrecht und vorschnell an den Pranger gestellt, von Nachbarn, die wieder einmal alles besser wissen. Die wiederum sehen einen neuen Beleg für polnische Laxheit im Umgang mit Umweltvorgaben. Vorbehalte, Vorurteile - so wird das nichts.

Die Oder, so historisch aufgeladen sie sein mag, kann auch verbinden. Das erfordert noch viele Gespräche wie dieses, vor allem aber Offenheit für die Argumente und Sorgen der anderen Seite. Es gibt viel zu reparieren zwischen beiden Ländern.

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