Süddeutsche Zeitung

Niederlande:Starrsinn und Irrtümer

Der Rücktritt von Außenministerin Sigrid Kaag war überfällig. Die Bildung einer neuen Regierung wird allerdings nicht leichter dadurch. Eine unkonventionelle Lösung böte sich an.

Von Thomas Kirchner

Die niederländische Außenministerin Sigrid Kaag ist zu Recht zurückgetreten. Irgendjemand musste den Kopf hinhalten für das Abzugsdebakel aus Afghanistan. Sicher, der Ansturm der Taliban kam dann doch für viele überraschend, und bis auf die französische hat keine westliche Regierung die nötige Weit- und Umsicht an den Tag gelegt. Doch die empathielose Sturheit, mit der man in Den Haag auf immer dringendere Hilferufe aus Kabul bezüglich der bedrohten Ortskräfte reagierte, ist eine Rüge wert. Zumal dieser Starrsinn bezeichnend ist für einen höchst problematischen Ansatz, der sich oft findet in den elf Regierungsjahren unter Premier Mark Rutte: Bloß nicht zu nett sein zu Ausländern, um den Rechten kein Futter zu geben.

Ist nach diesem Rücktritt - und dem von Verteidigungsministerin Ank Bijleveld - alles wieder gut in Den Haag? Keineswegs. Eine neue Regierung ist auch ein halbes Jahr nach der Wahl nicht in Sicht. Das Dilemma bleibt: Mit Rutte geht es eigentlich nicht weiter. Er hat sich durch Lügen und Skandale disqualifiziert, er steht für systematisches Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern und für Intransparenz. Wieder hat die Regierung diese Woche dem Parlament Dokumente zum Afghanistan-Fiasko vorenthalten. Aber ohne Rutte, glauben viele, geht es auch nicht, schließlich führt er die mit Abstand stärkste Partei, und alle hängen von ihm ab.

Was tun? Vielleicht sollte man in Den Haag den Rat des nun unabhängigen Abgeordneten Pieter Omtzigt bedenken: Ein Kabinett von Experten, ohne die Parteispitzen, könnte aus dem lähmenden Patt helfen.

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