Süddeutsche Zeitung

Russlands Krieg gegen die Ukraine:Die Antwort der Nato

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US-General Christopher Cavoli wird Oberbefehlshaber der westlichen Allianz. Für den neuen Job bringt er viel Erfahrung in einem Bereich mit, der jetzt besonders gefragt ist.

Von Matthias Kolb

Auch wenn Markus Söder es vielleicht gern anders hätte: Für den US-General Christopher Cavoli wird die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens am 14. März wohl nicht als wichtigstes Ereignis des Jahres 2022 in Erinnerung bleiben. Denn alles spricht dafür, dass Cavoli im Sommer die Rollen des Kommandeurs für alle US-Streitkräfte in Europa sowie des Nato-Oberbefehlshabers übernimmt. Der "Supreme Allied Commander Europe", kurz Saceur, stammt stets aus den USA - der Erste mit diesem Titel, Dwight D. Eisenhower, schaffte es sogar 1953 ins Weiße Haus. Anfang der Woche wurde Cavoli von Präsident Joe Biden nominiert, die Botschafter der 30 Mitgliedstaaten haben die Personalie bereits gebilligt. Die Bestätigung durch den US-Senat gilt als sicher.

Cavoli, Jahrgang 1964, ist damit eine Schlüsselfigur für die Aufgabe, die richtige Reaktion der Nato-Mitglieder und ihrer Armeen auf die Bedrohung durch ein revisionistisches Russland zu organisieren. Künftig ist er für alle militärstrategischen Operationen verantwortlich, die von den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine unterstehen dem Befehl des Saceur bereits 40 000 Nato-Soldaten - und die Zahl dürfte noch steigen.

Er kennt den Kalten Krieg aus eigener Erfahrung

Für seine neue Aufgabe ist es von Vorteil, dass Cavoli nicht nur Bayern, sondern auch Europa sehr gut kennt. Er war sowohl in Garmisch-Partenkirchen stationiert als auch im oberpfälzischen Grafenwöhr, wo er von 2014 bis 2016 den Truppenübungsplatz des US-Heeres leitete. Geboren wurde er in Würzburg, weil sein Vater dort als Offizier stationiert war. Dieser war nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewandert und zur Army gegangen. Die Cavolis zogen von Militärbasis zu Militärbasis, seinen Schulabschuss machte der heutige Vier-Sterne-General in Vicenza. Die Zeiten des Kalten Krieges, als eine Viertelmillion US-Soldaten in Westeuropa präsent waren, kennt er also aus eigener Erfahrung.

In die US Army trat Cavoli 1987 ein, zuvor hatte er sein Biologie-Studium in Princeton absolviert. Nach der Offiziersausbildung war er in Italien stationiert, bevor er in Yale einen Master in Osteuropa-Studien machte. Seither spricht er neben Italienisch und Französisch auch Russisch. Es folgten Einsätze in Bosnien und Afghanistan sowie Leitungsaufgaben an diversen US-Stützpunkten - auch seine Frau und die zwei Söhne sind regelmäßige Umzüge gewöhnt. Zwischen 2001 und 2005 war er im Führungsstab der US-Streitkräfte in Washington als "Russland-Direktor" tätig.

Große Verbände schnell zu verlegen - damit kennt er sich aus

Mit Wladimir Putins Russland, das stark aufrüstet und immer aggressiver wird, beschäftigt sich Cavoli also schon lange. Eindrücklich kann der Mann mit dem markanten Glatzkopf berichten, wie die Nato zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Aufgabe suchte und diese im Krisenmanagement und der Terrorismusbekämpfung sah. " 2013 verließen die letzten US-Panzer Europa. Ein Jahr später eroberte Russland Teile der Ostukraine und annektierte die Krim", sagte er 2021 in einem Online-Vortrag. Das schwere Gerät der Amerikaner sowie Tausende Soldaten kehrten schnell zurück, denn letztlich kann nur das US-Militär die Nato-Mitglieder in Ost- und Südosteuropa verteidigen.

Auf seinem letzten Posten, als Oberbefehlshaber des US-Heeres für Europa und Afrika mit Sitz in Wiesbaden, hat Cavoli mehrere Großübungen geplant, bei der Tausende Soldaten samt Ausrüstung über den Atlantik gebracht wurden. Diese Verlegefähigkeiten sind nötig, um das Bündnisgebiet verteidigen zu können. Solche Erfahrungen dürften demnächst wichtig werden. Beim Nato-Gipfel Ende Juni wollen die Staats- und Regierungschefs ein neues "strategisches Konzept" bis 2030 beschließen. Russland ist für die Nato kein Partner mehr, der Fokus liegt auf Verteidigung und Abschreckung. Also dürften Tausende zusätzliche Nato-Soldaten an die Ostflanke versetzt werden - auch aus Deutschland. Wenn also Cavoli im Sommer im belgischen Mons seine Arbeit aufnimmt, weiß er genau, was die Politik von ihm erwartet.

Korrektur: In einer früheren Fassung hieß es, Christopher Cavoli sei "Anfang 60 (mehr ist nicht bekannt)". Die SZ wurde inzwischen auf ein Interview mit Cavoli hingewiesen, in dem er selbst sein Geburtsjahr mit 1964 angibt.

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