Nahost-Politik:Spiel mit dem Feuer

Israels Premierminister Netanjahu spricht nach dem Attentat im Iran von einer "Woche der Erfolge". Ein gefährliches Zündeln.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Es deutet alles darauf hin, dass Israel hinter dem Attentat auf den iranischen Atomwissenschaftler Mohsen Fakhrizadeh steckt. Seit mindestens zehn Jahren hatte ihn der israelische Geheimdienst Mossad im Visier, 2018 präsentierte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ein Porträt Fakhrizadehs mit den Worten: "Merken Sie sich diesen Namen." Alleine schon die kryptische Stellungnahme Netanjahus, dass es "eine Woche der Erfolge" gewesen sei, lässt auf die Urheberschaft schließen.

In diesem Schattenkrieg, den Israel und Iran seit Jahren führen, bekennen sich israelische Vertreter nur selten zu Angriffen - dann, wenn eine Warnung damit verbunden ist. Zuletzt betraf dies Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien und Positionen der mit Teheran verbündeten Hisbollah in Libanon. In den vergangenen Jahren wurde rund ein Dutzend iranischer Atomwissenschaftler Opfer gezielter Tötungen - worauf der Mossad spezialisiert ist. Experten wie der israelische Journalist Ronen Bergman gehen davon aus, dass Israels Geheimdienst 50, 60 Tötungen - auch von Wissenschaftlern - außerhalb Israels und der palästinensischen Gebiete verübt hat.

Netanjahu sieht in Fakhrizadeh den Hauptverantwortlichen für Irans Raketenprogramm, durch das sich Israel bedroht sieht - zu Recht. Die Führung in Teheran leugnet das Existenzrecht Israels. Vor Kurzem hatte der geistliche Führer Ajatollah Chamenei Israel als "Geschwulst" bezeichnet, das mit einem Dschihad vernichtet werden müsse.

Die heimliche Atommacht Israel will um jeden Preis verhindern, dass auch Iran in den Besitz von Nuklearwaffen kommt. Es ist davon auszugehen, dass Israel hinter mysteriösen Explosionen in Iran in diesem Sommer steckt. Der Mossad dürfte Anfang 2020 auch an der Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch eine US-Drohne in Bagdad beteiligt gewesen sein.

Israel setzt auf solche Aktionen statt auf Verhandlungen. Netanjahu hat Donald Trump während dessen Amtszeit auf seinen Kurs gebracht. Trump kündigte 2018 das von Europäern und der früheren US-Regierung mühsam ausverhandelte Atomabkommen mit Iran - nur sechs Tage nachdem Netanjahu das vom Mossad erbeutete "Atom-Archiv" Irans präsentiert hatte. Der US-Präsident wartete die Auswertung der Unterlagen durch internationale Experten gar nicht erst ab und verhängte auch scharfe Wirtschaftssanktionen.

Weil sein Vasall nun das Weiße Haus räumen muss, wollte Israels Regierungschef Fakten schaffen. Er nutzte das Zeitfenster bis zum Amtsantritt von Joe Biden am 20. Januar. Denn der nächste US-Präsident dürfte - anders als Trump - nicht mehr nur das machen, was ihm Netanjahu vorgibt. Alleine die Ankündigung Bidens, wieder mit Iran verhandeln zu wollen, empfindet Netanjahu als Verrat.

Viel hängt nun von der Reaktion der Führung in Teheran ab, ob es zu einem neuen Flächenbrand im Nahen Osten kommt: Es drohen ein Krieg und Anschläge gegen israelische und amerikanische Ziele weltweit. Viel hängt nun von Biden ab: ob er, wie mehrere Vertreter der Obama-Administration, die Ermordung Fakhrizadeh verurteilt und ob er die Gespräche mit Iran wieder aufnimmt. Nach dem Abgang Trumps besteht jedenfalls die Hoffnung, dass im Weißen Haus wieder Entscheidungen zur Nahostpolitik getroffen werden, die auf Vernunft basieren, und dass gefährlichen Zündeleien Einhalt geboten wird.

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