Am Ende Freispruch. Freispruch für sieben Angeklagte, die als Kollegen und Vorgesetzte mit und neben dem Serienmörder Niels Högel gearbeitet haben. Angeblich, ohne bemerkt zu haben, dass dieser Mann reihenweise Patienten in Lebensgefahr brachte und am Ende 85 Patienten ermordete. Ein Freispruch ist das, den man kommen sah und der dennoch bitter ist - denn um die Angeklagten wegen Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen zu verurteilen, wie in der Anklage gefordert, hätte das Gericht ihnen Vorsatz nachweisen müssen. Das war fast unmöglich.
Was allerdings nachzuweisen war: Flächendeckender Gedächtnisverlust unter Zeugen und Angeklagten aus den Krankenhäusern. Eine zur Schau getragene Wohlanständigkeit, unter der die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Patienten lauert. Der Wunsch, nur ja keine Scherereien zu bekommen, auch wenn das eigene Schweigen andere das Leben kosten kann. Zögern und Bedenken tragen - selbst dann noch, als der Täter in flagranti am Krankenbett erwischt wurde und sogar dann noch weiterarbeiten durfte; in der nächsten Schicht mordete er wieder. Das alles ist zumindest fahrlässig. Das alles wäre strafbar. Nur ist diese Fahrlässigkeit längst verjährt.
Das liegt auch am jahrelangen Zögern der Oldenburger Staatsanwaltschaft, gegen die Verantwortlichen in den Krankenhäusern zu ermitteln. Was sich die Justiz da leistete, war Arbeitsverweigerung, nah an der Rechtsbeugung, ein Skandal. Doch dieses Versagen kommt nun den Kollegen und Vorgesetzten Högels zugute. Sie mussten sich nur ein paar ermahnende Worte des Richters anhören, der Serienmord quasi unter ihren Augen hat keine Konsequenzen für sie. Die Angeklagten haben von der Justiz nichts mehr zu befürchten. Nur die Angehörigen der Getöteten verzweifeln am Rechtsstaat.