Frank Ulrich Montgomery:Dr. Großartig

Der Präsident des Weltärztebundes zeigt, was er nicht begriffen hat: das Prinzip Rechtsstaat.

Von Wolfgang Janisch

Als die Pandemie über das Land hereinbrach, sprach man von der Stunde der Exekutive, aber nach zwei Jahren ist daraus längst eine gesamtstaatliche Aufgabe geworden. Parlamente leisten ihren Beitrag - und eben auch die Justiz, die aufgerufen ist, die notwendigen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes ins Verhältnis zu den Freiheitsrechten der Bürger zu setzen.

Frank Ulrich Montgomery, der um Zuspitzungen nie verlegene Präsident des Weltärztebundes, hat den Gerichten indes eine andere Rolle zugedacht, die Rolle des Notars, der - ohne viel zu fragen - seinen Stempel unter die Maßnahmen setzt. "Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2 G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten", sagte er der Welt und fügte hinzu: In der Pandemie hätten sich die Freiheitsrechte hinter das Recht auf körperliche Gesundheit einzureihen.

Das Problem daran ist gar nicht so sehr das herablassende Wort von den "kleinen Richterlein". So etwas fällt auf den Redner selbst zurück, der sich offenbar im Glauben an die eigene Großartigkeit verheddert hat. Wirklich problematisch ist, dass ein führender Ärztevertreter die Pandemiebekämpfung auch nach zwei Jahren als permanenten Ausnahmezustand ansieht, also als eine Situation, in der das Grundrechtsgefüge außer Kraft gesetzt werden muss. Wer die Justiz ausgerechnet in Zeiten tiefer Grundrechtseingriffe aus dem Spiel nehmen will, der hat das Prinzip Rechtsstaat nicht begriffen.

Zudem haben die Verwaltungsgerichte bisher einen guten Job gemacht. Stets haben sie den Spielraum von Regierung und Parlament betont, aber bisweilen eben auch korrigierend eingegriffen. In Niedersachsen hatte das Gericht übrigens gefordert, Beschränkungen des Einzelhandels mit detaillierten Erkenntnissen über die Infektionsrisiken zu begründen. Das darf man nach zwei Jahren Pandemie schon erwarten.

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