Michael Ballweg lässt sich gern von Menschen interviewen, die keine journalistische Ausbildung haben und ihm schmeicheln: tolle Rede, super Demo - solche Sachen. Bei Youtube finden sich deshalb viele sogenannte Interviews mit ihm von Männern, welche der von Ballweg gegründeten Initiative "Querdenken" nahestehen. Die Videos geben relativ wenig Aufschluss über die Person Ballweg, tragen aber einiges zur Mythenbildung bei.
In einem dieser Videos hat sich Ballweg neulich unwidersprochen dafür loben dürfen, er sei dafür verantwortlich, dass in den Zeiten der harten Corona-Beschränkungen im Frühjahr in Deutschland wieder demonstriert werden durfte: "Ich habe im April das Versammlungsrecht wieder eingeklagt beim BVG", sagte er. Tatsächlich war Ballweg zwar einer der ersten, die gegen das coronabedingte Versammlungsverbot klagten und damit bis vors Bundesverfassungsgericht gingen - aber die Karlsruher Richter hatten vor Ballweg schon einem Kläger aus dem hessischen Gießen recht gegeben, der Versammlungen gegen die Corona-Beschränkungen plante.
Nun hat Ballweg angekündigt, notfalls erneut vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Denn der Berliner Senat hat eine für Samstag geplante Großdemonstration der Initiative "Querdenken" samt Protestcamp verboten, weil er befürchtet, dass die Teilnehmer sich - wie vor zwei Wochen - nicht an die Auflagen zum Infektionsschutz halten.
Der Stuttgarter Ballweg hat sich bei seinen Demos anfangs als Verfechter der Grundrechte dargestellt, aber auch gegen Masken und eine von ihm unterstellte angebliche Impfpflicht polemisiert. Inzwischen hat er auch Sympathien für die besonders in den USA bekannte Verschwörungsgruppe QAnon bekundet.
Der heute 45-Jährige hat an der Berufsakademie in Stuttgart einen Abschluss als Diplom-Betriebswirt gemacht und in der schwäbischen Stadt vor ungefähr zwei Jahrzehnten die Softwarefirma Media Access GmbH gegründet. Mittlerweile kümmert sich Ballweg fast ausschließlich um Demonstrationen gegen die Corona-Politik von Bund und Ländern sowie um die Beratung von Protestgruppen in anderen Städten. Mitte Juni hat er öffentlich erklärt, dass er keine Veranstaltungen mehr organisieren werde, doch schon zwei Wochen später hatte er sich umentschieden. Kurz darauf kündigte er an, im November als parteiloser Kandidat in Stuttgart bei der Oberbürgermeisterwahl anzutreten. Man würde gerne mit ihm darüber sprechen, aber Ballweg mag Medienvertreter nicht gerne. Manchmal antwortet er zwar ohne Formalien auf Mails, aber in der Regel müssen Journalisten erst einmal online Fragen beantworten und eine Erklärung ausfüllen, wenn sie um ein Interview bitten, was nicht bedeutet, dass sie es dann auch bekommen.
Wenn Ballweg mit zunehmend wilder werdender Mähne und im T-Shirt auf die Bühnen tritt und dort auch mal zum Meditieren auffordert, wirkt er wie ein esoterisch angehauchter Naturbursche. Vergangene Woche sagte er dem Publikum in Darmstadt, dass er sein Erspartes in die Demonstrationen stecke, weil ihm Geld nicht wichtig sei. Er glaube fest daran, "dass die Natur mich mit Fähigkeiten ausgestattet hat, die mir stets ein Überleben sichern werden. Ich weiß auch, wie ich mit dem, was die Natur mir bietet, mich ernähren kann."
Auf der Internetseite von Media Access ist Ballweg noch mit dicker Uhr, akkuratem Haarschnitt und dunklem Anzug zu sehen. Dieser Lebensabschnitt ist wohl vorbei. Seit 11. August ist dort zu lesen, die Webseite werde demnächst geschlossen, weil drei langjährige Kunden verlangten, dass sie nicht mehr als Referenzen genannt werden. Die namhaften Unternehmen wollen offenbar nicht mit jemandem in Zusammenhang gebracht werden, bei dessen Veranstaltungen Impfgegner und Verschwörungstheoretiker ans Mikrofon treten.