Aktuelles Lexikon:Ordre du mufti

Von Tobias Zick

"Gebrauch: scherzhaft" vermerkt der Duden zu der aus dem Französischen stammenden Wendung; das ist eine wichtige Zusatzinformation, denn auf den ersten Blick waren es keine allzu lustigen Umstände, unter denen Angela Merkel am Sonntagabend auf die Frage von Anne Will antwortete, warum sie nicht längst härtere Corona-Schutzmaßnahmen qua Bund durchgesetzt habe: So etwas werde in einer Demokratie nicht "par ordre du mufti" verfügt, sondern "es muss durch Überzeugung passieren". Die Kanzlerin distanzierte sich damit, auch wenn wohl nur eine Minderheit der Deutschen eine solche Distanzierung für nötig hält, von einer Herrschaftsform, die weniger Wert auf eine Trennung von Staat und Religion legt als die hierzulande per Grundgesetz etablierte. Als Mufti bezeichnet man seit der Frühzeit des Islam einen - ausnahmslos männlichen, volljährigen und des Hocharabischen mächtigen - Gelehrten, der qua Amt qualifiziert ist, ein islamisches Rechtsgutachten abzugeben, eine Fatwa. Im Osmanischen Reich stand der Mufti von Istanbul an höchster Stelle der juristischen wie der theologischen Hierarchie. Die Einführung eines vergleichbaren Amtes ist selbst nach Ende der Merkel-Ära nicht zu erwarten, auch nicht von einem möglichen Nachfolger Markus Söder, der vor neun Jahren, damals noch als bayerischer Finanzminister, von rechts angefeindet wurde für seine Aussage, der Islam sei "ein Bestandteil Bayerns".

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