Süddeutsche Zeitung

USA:Bidens Frau fürs Klima hat Power und Humor

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Gina McCarthy, eine Veteranin der Umweltbewegung, soll die Vereinigten Staaten auf den Weg zur Klimaneutralität bringen. Die 66-Jährige kann sehr lustig sein. Sie kann aber auch anders.

Von Thomas Hummel

Gina McCarthy sagte zuletzt in einem Interview, bisweilen kratze sie sich am Kopf und frage sich, warum um Himmels willen sie eigentlich nach Washington gezogen sei. Sie sitze gerade in ihrem fensterlosen Büro im Weißen Haus und kämpfe mit technischen Problemen - zuvor hatte sie in einem fabelhaften Büro in Manhattan bei einer Umweltorganisation gearbeitet. "Viele Mitarbeiter kamen dort vorbei. Ich habe versucht, sie herumzukommandieren, aber sie haben mich nicht beachtet", berichtete sie mit ihrem breiten Bostoner Akzent dem Onlinemagazin Grist. Sie lachte herzhaft und ansteckend, kam aber doch zu dem Schluss, der Umzug habe sich gelohnt: "Es macht so viel Spaß hier. Denn das ist die Gelegenheit für uns."

Die Gelegenheit: Die 66-Jährige kann endlich das Thema Klima und Umwelt richtig anpacken. Sie gilt als Veteranin der amerikanischen Umweltbewegung und bekam von Präsident Joe Biden eine Stelle angeboten, die es so noch nicht gab: Als Nationale Klimaberaterin der US-Regierung ist sie eine Art Supervisor für das Kabinett. Während John Kerry außenpolitische Klimadiplomatie betreibt, soll McCarthy in den USA die Klimapolitik umsetzen.

Joe Biden erklärte, das Land wolle vom Jahr 2035 an Strom nur noch aus CO₂-freien Quellen nutzen und bis 2050 klimaneutral sein. Für ihn genießt der Kampf gegen die Erderwärmung neben der Corona-Pandemie höchste Priorität - auch, weil die Regierung glaubt, damit ein Jobwunder auslösen zu können. So will Biden zwei Billionen Dollar in Infrastruktur-Projekte investieren, einen beträchtlichen Teil davon in den klimaneutralen Umbau. Für die Details hat er Gina McCarthy.

Die Farben des Merrimack River machten sie zur Aktivistin

Sie verbrachte ihre Kindheit im Bundesstaat Massachusetts auf dem Land. McCarthy erinnert sich, wie sie von den ungewöhnlichen Farben des Merrimack River beeindruckt war. "Je nachdem, was sie in den Fabriken machten, war der Fluss leuchtend rot oder leuchtend grün oder leuchtend orange", sagte sie einmal. Alle Abwasser habe die Industrie in den nächsten Fluss geleitet. Das weckte ihr Interesse an Umweltfragen.

Weil sie nicht nur lustig sein kann, sondern auch stur und durchsetzungsfähig, legte sie eine beeindruckende Karriere hin. McCarthy studierte Anthropologie sowie Umwelt-Ingenieurswesen und ging in den Staatsdienst. In Massachusetts und Connecticut beriet sie fünf Senatoren aus der republikanischen wie demokratischen Partei in Umweltfragen. 2009 holte sie Präsident Barack Obama in die nationale Umweltbehörde EPA, 2013 stieg sie zur Chefin auf. Dort schuf sie wegweisende Verordnungen, etwa den Clean Power Plan, der CO₂-Emissionen von Kraftwerken begrenzte.

Auch Alexander Dobrindt spürte McCarthys Entschlossenheit, als er 2015 als Verkehrsminister in die USA reiste, um angesichts des VW-Abgasskandals das Ansehen der deutschen Wirtschaft zu retten. McCarthy machte ihm als EPA-Chefin höflich, aber bestimmt klar, dass es keinen Raum für Zugeständnisse gebe. Am Ende zahlte VW Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen.

"Ich bin es leid, hinter euch aufzuräumen."

Nun sitzt Gina McCarthy im Zentrum der Macht. Sie will Umweltstandards in der Gesetzgebung einziehen und Umweltinvestitionen voranbringen. Die Gestaltungskraft der US-Regierung ist, was das Klima betrifft, riesig. Allein das amerikanische Militär verursacht mehr Treibhausgase als Länder wie Portugal oder Schweden. McCarthy will die Menschen überzeugen. Statt von Verzicht oder Verbot spricht sie von Chancen, Hoffnung, Arbeitsplätzen, gesundem Essen, sauberem Wasser und sauberer Luft.

Bei all den ernsten Themen vergisst sie nie ihren Humor. In einer TV-Show bei Moderator Bill Maher erklärte sie, über den Klimawandel müsse man nur drei Dinge wissen. "Erstens: Er existiert. Zweitens: Von Menschen gemachte Emissionen verursachen ihn. Drittens: Deshalb sollten Frauen die Welt regieren. Ich bin es leid, hinter euch aufzuräumen."

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